Veranstaltung
Ausbruch aus dem Identitätsgefängnis
Deborah Feldman: Unorthodox
Florian Felix Weyh im Gespräch mit Deborah Feldman, Lesung: Tanya Häringer
„Wir lernen in der Schule, Gott habe Hitler gesandt, um die Juden dafür zu bestrafen, sich selbst erleuchtet zu haben“, schreibt die amerikanische Autorin Deborah Feldman aus der Perspektive ihrer Schulzeit. „Er kam, um uns zu reinigen, um alle assimilierten Juden zu vernichten, alle ‚frejen Jidden’, die dachten, sie könnten sich selbst vom Joch, die Auserwählten zu sein, befreien.“
Aus deutscher Sicht liest sich so etwas bestürzend: Eine Holocaust-Rechtfertigung aus jüdischem Mund? Doch bei den Ultraorthodoxen der New Yorker Satmar-Gemeinde gehört diese Sicht zur ideologischen Grundausstattung, genauso wie die Verdammung Israels. Auch das Frauenbild der chassidischen Sekte ist archaisch. So wie im Islam Kopftuch oder Schleier vorherrschen, müssen die jüdischen Frauen Perücken tragen, um ja keine sexuellen Begehrlichkeiten zu wecken. Fortpflanzung ist dennoch ihr einziges Lebensziel, während Männern das Talmud-Studium als einzig sinnvolle Aufgabe vermittelt wird. Frauen dürfen die heiligen Schriften nicht einmal lesen.
Deborah Feldman befreit sich dennoch aus den Fängen dieser Sekte, in die sie hineingeboren wurde. Heimlich liest sie englische Bücher – die Umgangssprache der New Yorker Satmarer ist eigentlich jiddisch – und findet in Romanen Rollenvorbilder für ein freies Leben. Als sie 2012 ihren autobiografischen Emanzipationsbericht in den USA publiziert, wird er zum Bestseller. Heute lebt die dreißigjährige Autorin in Berlin und hat sich sofort mit Enthusiasmus darauf gestürzt, Deutsch zu lernen. Beim Poetenfest gibt sie nun Einblicke in einen religiösen Fanatismus, von dem wir in Europa wenig wissen. (Florian Felix Weyh)
Deborah Feldman: Unorthodox. Autobiografie. Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Christian Ruzicska. Secession. Zürich, Feb 2016
Freitag, 26. August, 18:00 Uhr, Orangerie
Eintritt frei!