35. Erlanger Poetenfest — 27. bis 30. August 2015
Nebenpodium im Schlossgarten. Moritz Rinke im Gespräch mit Verena Auffermann – Foto: Erich Malter, 2006

Veranstaltung


Das Porträt: Alice Schwarzer
Das Leben anderer betrachtend
Lesung und Gespräch mit Verena Auffermann

Alice Schwarzer gehört zu den Frauen, die jeder zu kennen glaubt und über die alle mitreden. Sie ist seit Jahrzehnten eine öffentliche Figur. Ihr Name ist das Synonym für eine Kämpferin in öffentlichen weiblichen und deshalb auch männlichen Angelegenheiten. Sie ist Wagnisse eingegangen, hat sich in die Nesseln gesetzt, ist beschimpft worden und Schlimmeres, hat sich nicht geduckt und mutig immer weiter und wieder die Sätze ausgesprochen, die niemand hören wollte. Und die Gesellschaft vorangebracht, sich und die Gesellschaft aufgeregt und aufgeweckt und Aggressionen hervorgerufen.

Die „Emanze“ Nummer eins ist Gründerin und Chefredakteurin der Zeitschrift EMMA – das erste Heft erschien 1977. Alice Schwarzer hat viele Themen zu allgemeinen Debatten erweitert, an unzähligen Talkshows teilgenommen. Wenn heute die Jugend „cool“ ruft, „Alice who“ oder die Schwarzer-Epoche „sei ja so was von Gestern“, dann weiß man aus Erfahrung, dass Nutznießer undankbar sind und mindestens eine Generation vergehen muss, um diese Lebensleistung angemessen anzuerkennen.

Beim Poetenfest soll es um ein ganz bestimmtes Thema gehen. Eines, das Alice Schwarzer ein besonderes Anliegen zu sein scheint, hätte sie sonst vier Biografien geschrieben? Bücher über besondere und besonders unterschiedliche Frauen. Und vier Bücher über das Fragen. Fragen zur Biografie. Wie wird ein Mensch zu dem, was ihn auszeichnet? Wie viel gibt er zu erkennen, wie kommt man als Biografin an den „geheimen oder den wunden Punkt“? Was macht das Leben des Einzelnen hinter der Fassade aus?

Und weshalb schreibt Alice Schwarzer, die Frau mit der großen Gerechtigkeitsenergie, dem Elan einer unermüdlichen Fighterin für die Rechte der Frauen und einem eigenen prominenten Ego, Biografien über andere? Und weshalb über diese? Über die „Zeit“-Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff (1996), die Schauspielerin Romy Schneider (1998), die Grünen-Gründer Petra Kelly und Gert Bastian (1993), über Simone de Beauvoir (2007). Was hat Alice Schwarzer an diesen sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten interessiert? Was wollte sie erfahren? Wie spiegelt sie in diesen Texten ihr eigenes Lebenswerk? Teilt sie Eigenschaften mit der Journalistin, der Schauspielerin, der Politikerin, der Philosophin?

Dies schreibt sie im Vorwort über die Grünen-Politikerin Petra Kelly: „Dass auch Weltverbesserer nicht immer auf der Höhe der eigenen Ansprüche sind; dass auch ein nach außen starker Mensch nach innen schwach sein kann; und dass Liebe und Hass oft sehr dicht beieinander liegen.“ „Woher“, möchte sie bei Marion Gräfin Dönhoff wissen, „diese hochmütige Bescheidenheit und dieses umfassende Verantwortungsgefühl“? Von Simone de Beauvoir, der Frau, die nie ein Mann sein wollte, zitiert Alice Schwarzer diesen schönen, klugen, allgemeingültigen Satz: Auf ihre „Weiblichkeit verzichten hieße, auf einen Teil ihrer Menschlichkeit verzichten.“

Alice Schwarzer, das irdische Wesen, mit Stärken, Schwächen und Fehlern, von der Öffentlichkeit in den vergangenen Jahren lustvoll verurteilt und in die Sünderecke gestellt, gehört zu den mutigen, streitbaren Frauen. Frauen wie sie sind für eine Gesellschaft unbedingt notwendig. Als Anregung, Aufregung und Ansporn. Wer ist sie? Wie schreibt sie über andere, was interessiert sie, wie schaut sie nach vorne und wie zurück?
Verena Auffermann

zum Thema: Alice Schwarzer: Lebenslauf. Kiepenheuer & Witsch. Köln, 2011

Freitag, 28. August, 20:30 Uhr, Markgrafentheater
Eintritt: von 5,00 / erm. 3,50 bis 10,00 / erm. 8,50 Euro

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