Jan Wagner
In einem literarischen Zehn-Punkte-Programm hat der Dichter Jan Wagner einmal behauptet, dass das Gedicht „an der Schnittstelle zwischen dem sogenannten Trivialen und dem sogenannten Erhabenen“ entsteht. Seine Gedichte, die er seit seinem Debüt „Probebohrung im Himmel“ vorgelegt hat, sind sehr eindrucksvolle Demonstrationen eines Formbewusstseins, das sehr genau den Reichtum der Tradition wie auch die Bewusstseinsreize der Gegenwart auszuloten versteht.
„Fortschritt ist das, was man aus dem Rückgriff macht“, sagt Jan Wagner – und er macht aus dem Rückgriff die Artistik der Form, er beherrscht selbst die Königsdisziplinen der Gattung: die Sestine, die Villanelle oder den Sonettenkranz. Und er erprobt die Möglichkeiten des poetischen Stillebens, des parabolischen Naturbilds und der Idylle.
Wer sich mit diesen traditionsverbundenen Gedichten näher beschäftigt, wird bald entdecken, dass die scheinbar weich gezeichneten Szenen überall Risse bekommen, dass die Idyllen mit Bildern der Unruhe und des Schreckens aufgebrochen werden.
Jan Wagner, 1971 in Hamburg geboren, studierte Anglistik, zunächst an der Hamburger Universität, dann ein Jahr lang am Trinity College in Dublin, bevor er 1995 nach Berlin zog, wo er seither lebt.
In seiner Poesie sucht er stets die kunstfertig hergestellte Balance zwischen dem Idyllischen und dem Unheimlichen, den Schwebezustand zwischen Schönheit und Schrecken. In seinem jüngsten Gedichtband „Regentonnenvariationen“ erforscht er den Reichtum unseres kreatürlichen Daseins: Er widmet sich schäumendem Giersch, Weidenkätzchen und Würgefeige, Morchel, Melde, Olm und Otter. Verbirgt sich in den präzisen Benennungen auch das Wesen der Dinge? (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Förderpreis für literarische Übersetzungen der Stadt Hamburg (1999), Hermann-Hesse-Förderpreis (2001), Arbeitsstipendium des Deutschen Literaturfonds (2002, 2009), Stipendium Künstlerhaus Edenkoben (2002), Heinrich-Heine-Stipendium Lüneburg (2003), Mondseer Lyrikpreis, Anna-Seghers-Preis (2004), Arbeitsstipendium der Preußischen Seehandlung (2006), Stipendium der Deutschen Akademie Rom/Casa Baldi (2007), Max Kade German Writer in Residence, Oberlin College, Ohio, USA (2008), Wilhelm-Lehmann-Preis, Stipendium des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg (2009), Stipendium Villa Massimo, Rom, Friedrich-Hölderlin-Preis, Kranichsteiner Literaturpreis (2011).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Probebohrung im Himmel“, Gedichte, Berlin Verlag, 2001
– „Guerickes Sperling“, Gedichte, Berlin Verlag, 2004
– „Der Wald im Zimmer. Eine Harzreise“, zus. mit B. Kuhligk, Berlin Verlag, 2007
– „Achtzehn Pasteten“, Gedichte, Berlin Verlag, 2007
– „Australien“, Gedichte, Berlin Verlag, 2010
– „Die Sandale des Propheten. Beiläufige Prosa“, Berlin Verlag, 2011
– „Poesiealbum 195“, Märkischer Verlag, Wilhelmshorst 2011
– „Die Eulenhasser in den Hallenhäusern. Drei Verborgene“, Gedichte, Hanser Berlin, 2012
– „Regentonnenvariationen“, Gedichte, Hanser Berlin, August 2014
Do, 28.8., 20 Uhr, Markgrafentheater und So, 31.8., 14:30 Uhr, Schlossgarten