Yoko Tawada
Es ist verrückt. Eine Japanerin erklärt uns Schönheit und Vielfalt der deutschen Sprache. Sie tut es mit Charme und Witz. Yoko Tawada ist keine Lehrmeisterin, sie ist eine Sprachzauberin. 1979 kam sie im Alter von 19 Jahren mit der Transsibirischen Eisenbahn zum ersten Mal nach Deutschland. Seit 1982 lebt sie hier. Erst in Hamburg, dann in Berlin. Sie promovierte in Zürich und schreibt Gedichte, Romane, Theaterstücke auf Japanisch und auf Deutsch. Ihre Lesungen sind kleine Vorführungen. Ihr jüngster Roman „Etüden im Schnee“ ist die Geschichte von drei Eisbären aus drei Generationen. Die Bären mussten emigrieren, wie die Menschen, von Moskau nach Kanada, später in die ehemalige DDR. „Ich bin“, schreibt Yoko Tawada, „in meine Geschichte eingetreten und von hier verschwunden“.
Yoko Tawadas Bären bewegen sich wie Menschen und empfinden wie Tiere. Sie sind sensibel, sie haben eine exquisite Zunge, kosten mit Vorliebe Sardellenpaste mit Milch verrührt, und sie beteiligen sich an alltäglichen Gewohnheiten aus dem menschlichen Leben: Reisen, Wohnen in Hotels und Schreiben. Sie besuchen Kongresse, spotten über modische Sprüche und denken über die Sterblichkeit nach. Yoko Tawada liebt das Skurrile, das muss man eigentlich nicht dazusagen, und sie ließ es sich nicht entgehen, Knut, den berühmtesten Eisbären des Berliner Zoos und seinen Pfleger, mit in ihre Bärengeschichte aufzunehmen. Dass die Geschichte traurig endet, wissen wir, aber bei Yoko Tawada ist selbst das Tragische schön. „Etüden im Schnee“ erzählt von unserer Zivilisation, von nicht mehr, gewiss aber auch nicht von weniger. (V. A.)
Auszeichnungen u. a.: Gunzô-Shinjin-Literaturpreis, Japan (1991), Akutagawa-Literaturpreis, Japan (1993), Adelbert-von-Chamisso-Preis (1996), Stipendium Villa Aurora, Los Angeles (1997), Poetik-Dozentur in Tübingen (1998), Izumi-Kyooka-Literaturpreis, Japan (2000), Ito-Sei-Literaturpreis, Japan (2003), Goethe-Medaille (2005), Writer in Residence Washington University (2008), Writer in Residence Stanford University (2009), Murasaki-Shikibu-Literaturpreis, Japan, Noma-Bungei-Literaturpreis, Japan (2011), Writer in Residence Sorbonne, Paris (2012), Yomiuri-Literaturpreis, Japan, Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung (2013). Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Nur da wo du bist da ist nichts“, Gedichte und Prosa, übers. von P. Pörtner, konkursbuch, Tübingen 1987
– „Das Bad“, Roman, übers. von P. Pörtner, konkursbuch, Tübingen 1989
– „Wo Europa anfängt“, Gedichte und Prosa, z. T. übers. von P. Pörtner, konkursbuch, Tübingen 1991
– „Ein Gast“, Roman, konkursbuch, Tübingen 1993
– „Tintenfisch auf Reisen. Drei Geschichten“, übers. von P. Pörtner, konkursbuch, Tübingen 1994
– „Talisman“, Essays, z. T. übers. von P. Pörtner, konkursbuch, Tübingen 1996
– „Aber die Mandarinen müssen heute abend noch geraubt werden“, Traumtexte, z. T. übers. von P. Pörtner, konkursbuch, Tübingen 1997
– „Verwandlungen. Tübinger Poetik-Vorlesungen“, konkursbuch, Tübingen 1998
– „Opium für Ovid. Ein Kopfkissenbuch von 22 Frauen“, Prosa, konkursbuch, Tübingen 2000
– „Überseezungen“, Essays, konkursbuch, Tübingen 2002
– „Das nackte Auge“, Erzählung, konkursbuch, Tübingen 2004
– „Was ändert der Regen an unserem Leben? Oder ein Libretto“, konkursbuch, Tübingen 2005
– „Sprachpolizei und Spielpolyglotte“, Essays, konkursbuch, Tübingen 2007
– „Schwager in Bordeaux“, Roman, konkursbuch, Tübingen 2008
– „Abenteuer der deutschen Grammatik“, Gedichte, konkursbuch, Tübingen 2010
– „Mein kleiner Zeh war ein Wort. 12 Theaterstücke“, konkursbuch, Tübingen 2013
– „Etüden im Schnee“, Roman, konkursbuch, Tübingen 2014
So, 31.8., 16:30 Uhr, Schlossgarten
Website:
yokotawada.de