Reto Hänny
1947 in Tschappina, einem Dorf in Graubünden geboren und auf dem elterlichen Bergbauernhof aufgewachsen, übte er einige Jahre den Beruf des Volksschullehrers aus. Nach ausgedehnten Reisen und Tätigkeiten als Bühnenarbeiter am Theater und einem Studium der Literatur, Ethnologie und Kunstgeschichte debütierte Reto Hänny 1979 mit „Ruch. Ein Bericht“. Mit „Zürich, Anfang September“ erregte er über die Schweizer Grenzen hinaus Aufsehen wegen seiner detaillierten, literarisch überzeugenden Schilderungen über die dortigen Jugendunruhen. Neben seinen intensiven Auseinandersetzungen mit Neuer Musik und Bildender Kunst entstand ein überschaubares, aber umso dichteres literarisches Werk, so wurde er u. a. mit dem Ingeborg Bachmann-Preis ausgezeichnet. Reto Hänny ist ein Autor, der sich außergewöhnlich viel Zeit für die Arbeit an einem neuen Manuskript lässt. So mutet nach „Flug“ seine im Frühjahr dieses Jahres erschienene fluide Nachdichtung von James Joyces „Ulysses“ wie die Wiedergeburt eines Sprachvirtuosen an, der jüngeren Lesern wie eine Lichtgestalt der Literaturgeschichte vorkommen muss. Ein Sprachkünstler, der mit ausgefeilten stilistischen Mitteln die Leser und – mehr noch vielleicht – die Zuhörer in seinen Bann schlägt. „Blooms Schatten“ ist die Odyssee eines Anzeigenakquisiteurs, der einen ganzen Tag lang durch das Labyrinth einer Stadt eilt, ihre Kneipen zumal, und darüber sinniert, was seine Frau, eine Opernsängerin, zur gleichen Zeit mit dem Liebhaber treibt, den sie empfangen hat. – „Ein Werk von eigener musikalisch-poetischer Kraft“, schwärmt die Neue Zürcher Zeitung. (H. St.)
Auszeichnungen u. a.: DAAD-Stipendium im Rahmen des Berliner Künstlerprogramms (1981), Max-Frisch-Preis der Stadt Zürich (1985), Ehrengabe des Kantons Graubünden (1986), Werkjahr des Kantons Zürich (1987), Preis der Schweizerischen Schillerstiftung (1991), Ingeborg Bachmann-Preis (1994), Literaturauszeichnung des Kantons Zürich (2007).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Ruch. Ein Bericht“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1979
– „Zürich, Anfang September“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1981
– „Flug“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1985
– „Am Boden des Kopfes. Verwirrungen eines Mitteleuropäers in Mitteleuropa“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1991
– „Wildwechsel“, zus. mit H. Danuser, Müller, Baden 1993
– „Helldunkel. Ein Bilderbuch“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1994
– „Klagenfurter Texte 1994“, Hrsg. zus. mit H. Felsbach, Piper, München 1994
– „Flug“, Roman, neue Fassung mit einem Nachwort von S. Moser, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2007
– „Blooms Schatten“, Matthes & Seitz, Berlin 2014
Sa, 30.8., 16:30 Uhr, Schlossgarten