34. Erlanger Poetenfest — 28. bis 31. August 2014
Nebenpodium im Schlossgarten. Moritz Rinke im Gespräch mit Verena Auffermann – Foto: Erich Malter, 2006

Veranstaltung


Autorenporträt: Joachim Sartorius
Schriftsteller, Kulturpolitiker und Weltbürger
Lesung und Gespräch mit Verena Auffermann

Viele Fürther wurden einflussreiche Weltbürger: Der Verleger Leopold Ullstein, der Wirtschaftswundererfinder Ludwig Erhard, der Schriftsteller Jakob Wassermann, der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger. Auch der Schriftsteller, Lyriker, Essayist, Übersetzer, Herausgeber, Kulturpolitiker und Theaterintendant Joachim Sartorius wurde in Fürth als Sohn eines Diplomaten geboren. Seine Passion für die Welterkundung hat bis heute nicht nachgelassen. Kinder- und Jugendjahre in Tunesien, im Kongo und in Kamerun, Abitur in Bordeaux, das Jurastudium an diversen Orten. Das war nur der Beginn.
Dabei sollte man sich Joachim Sartorius nicht als gehetzten Reisenden vorstellen, sondern als einen Mann, der in scheinbarer Unaufgeregtheit die kolossalen Angebote aufgreift, die das Leben in der Ferne in seiner Mischung aus Fremdheit, Überraschung, Schönheit und schierer Qual aus uns macht. Er sammelt, um die Eindrücke für sich und andere aufzubewahren. In der Person von Joachim Sartorius verbinden sich Kennerschaft – der Sammler muss ein Kenner sein, um das Wichtige auszuwählen –, Neugier und die Fähigkeit, die Fundstücke und inneren Ansichtskarten in die Form des Gedichts, des Essays, des Prosatextes zu überführen.
Joachim Sartorius ist die in Deutschland wohl einzigartige Figur eines Dichters, der hohe öffentliche Ämter ausgeübt hat. Als Kulturvermittler hat er während seiner Zeit beim Deutschen Akademischen Austauschdienst in Berlin (von 1986 bis 1994) für die Stadt mit und ohne „Eisernem Vorhang“ außergewöhnlich viele Brücken gebaut. Von 1996 bis 2000 war er Generalsekretär des Goethe-Instituts, dann folgten zehn prägende Jahre als Intendant der Berliner Festspiele. Und jetzt ein zurückgezogener Schriftsteller? Keineswegs! Oder doch. Joachim Sartorius lebt mit der seltenen Gabe ausgestattet, unermüdlich dabei und doch auf unwiederbringliche Art für sich zu sein.
Joachim Sartorius verkörpert die hierzulande so seltenen Fähigkeiten des welterfahrenen und -gewandten vermittelnden Freundes und Gastgebers. In der Welt zu Hause sein heißt, mit der Welt und ihren Menschen befreundet zu sein. Joachim Sartorius kennt sie fast alle, die großen Dichter wie Hans Magnus Enzensberger, Susan Sontag, Orhan Pamuk oder Cees Nooteboom, wichtige Künstler wie James Lee Byars, Horst Antes, die Fotografin Nan Goldin. Einer seiner Freunde ist der Maler Max Neumann. Der Dichter Sartorius hat sich immer wieder mit den Bildern Neumanns in Gedichten und Gedichtzyklen auseinandergesetzt. Die visionäre Kraft, die der Malerei innewohnt, fasziniert und inspiriert den Dichter Sartorius.
Istanbul gehört zu seinen Lieblingsstädten. Über die der Stadt vorgelagerten „Prinzeninseln“ entstand 2009 ein stimmungsvoller Reiseessay. Der schöne, biografisch angereicherte Band „Mein Zypern“ erschien 2013. Das Handbuch der politischen Poesie: „Niemals eine Atempause“ wird in diesem Herbst für Aufmerksamkeit sorgen. Die Anthologie vereint Gedichte von 100 Dichterinnen und Dichtern des 20. Jahrhunderts aus 50 Ländern. Sie zeigt den Wahnsinn der Kriege vom Ersten Weltkrieg bis heute und führt die Ideologien, Fantasien und ihre folgenschweren Verblendungen und Abirrungen in der Form des Gedichts vor. „Niemals eine Atempause“ ist ein ganz anderes Geschichtsbuch. Angst und Schrecken bekommen hier eine andere, eine tief greifende vehemente Dimension.
Joachim Sartorius versammelt in seiner Person das Talent sinnlicher Sichtbarmachung, dichterisches und schriftstellerisches Können und tiefe Kenntnis der Literatur, die er auch als Übersetzer wichtiger Autoren vertieft hat.
Verena Auffermann

aktuell: Niemals eine Atempause. Handbuch der politischen Poesie im 20. Jahrhundert. Kiepenheuer & Witsch. Köln, 6. Nov 2014

Sonntag, 31. August, 20:00 Uhr, Markgrafentheater
Eintritt: von 5,00 / erm. 3,50 bis 10,00 / erm. 8,50 Euro

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