33. Erlanger Poetenfest — 29. August bis 1. September 2013
Nebenpodium im Schlossgarten. Moritz Rinke im Gespräch mit Verena Auffermann – Foto: Erich Malter, 2006

Veranstaltung


Rafik Schami – Mein Syrien
Florian Felix Weyh im Gespräch mit Rafik Schami, Lesung: Markus Hoffmann

„Es gibt Redewendungen, die man in Damaskus unbemerkt einflicht, um zu erkunden, ob ein fremder Gesprächspartner derselben Religion angehört wie man selbst. Wenn ein Muslim unvermittelt ausruft: ‚Gott segne unseren Propheten Muhammad’, dann wiederholt der andere, wenn er auch Muslim ist: ‚Gott segne unseren Propheten Muhammad.’ Ist er aber Jude oder Christ, so antwortet er: ‚Gott segne alle Propheten’.“
Rafik Schami, der, um politischer Zensur und Verfolgung zu entgehen, 1971 nach Deutschland auswanderte, schuf in seinem 2004 erschienenen Roman „Die dunkle Seite der Liebe“ ein gewaltiges Sippenbild, das den Leser durch Sinnlichkeit, Angst, Humor, Schrecken, Liebe, Brutalität und orientalische Weisheit überwältigt. Man kann die Gerüche von damaszenischen Garküchen riechen, staunt über die lebensbejahende Kraft, mit der geschlagene und vergewaltige Frauen ihren Peinigern ein Schnippchen schlagen, trauert um Opfer von Ehrenmorden, erfreut sich der Lebenslust dieses Vielvölkergemischs und ist zugleich fassungslos, wenn Putsche und Revolutionen stoisch hingenommen, sinnlose kriegerische Auseinandersetzungen mit Israel dagegen bejubelt werden. Rafik Schami hat einen fabulierfreudigen wie ironisch-distanzierten Ton, mit dem er auf die Schrecknisse des Lebens in fröhlicher Demut reagiert.
Auch Rafik Schamis 2008 erschienener zweiter großer Syrien-Roman „Das Geheimnis des Kalligraphen“ verbindet fantastische Geschichten mit einem großen Bewusstsein für real existierende Zu- und Missstände. Wiederkehrendes Motiv bleibt die Stadt Damaskus, in der Muslime, Juden, Christen und andere Religionsgemeinschaften friedlich miteinander leben und dennoch ihre eigene Identität bewahren können. Ein Syrien, das man sich heute – nach zwei Jahren Berichterstattung über Bürgerkrieg und über hunderttausend Tote – gar nicht mehr vorstellen kann. „Syrien geht langsam zugrunde“, befürchtet Rafik Schami und organisiert politische Veranstaltungen und Benefiz-Lesungen zugunsten der syrischen Zivilbevölkerung. „Ich verstehe die Kunst als eine Möglichkeit des Widerstands gegen die Diktatur. Wenn man die Pracht, die Freundlichkeit, die Schönheit einer Stadt besingt und zugleich zeigt, dass diese Stadt gefangen, gedemütigt ist durch die Diktatur, hat man ein Zeugnis gegen die Diktatur abgelegt.“
Der aktuellen humanitären Katastrophe wird im Rahmen des 33. Erlanger Poetenfests das Syrien aus Rafik Schamis Romanen gegenübergestellt. Ist das multikulturelle Syrien, das der Dichter besingt, überhaupt noch zu retten? Rafik Schami wird Florian Felix Weyh darüber in gewohnter Offenheit Auskunft geben. Zum Abschluss wird der Meister des mündlichen Erzählens zu erleben sein: Rafik Schami erzählt eine Geschichte aus seinem Buch „Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte“. Denn „Autoren können nur Mut machen und in der Phantasiewelt Hoffnung geben. Jedem Erwachsenen, der meint, das sei Kinderkram, dem wünsche ich, dass er den Mut fasst, sich auf ein Märchen einzulassen.“

zuletzt: Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte. Oder wie ich zum Erzähler wurde. Hanser. München 2011
zum Thema: Das Geheimnis des Kalligraphen. Roman. Hanser. München 2008
zum Thema: Die dunkle Seite der Liebe. Roman. Hanser. München 2004

Sonntag, 1. September, 18:30 Uhr, Markgrafentheater
Eintritt: von 5,00 / erm. 3,50 bis 10,00 / erm. 8,50 Euro

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