Nicol Ljubić
Durch seinen Geburtsort Zagreb, seinen Nachnamen und seine Kindheit und Jugend, die zwischen Schweden, Griechenland, Russland und Deutschland stattfand, ist Fremdsein ein Teil von Nicol Ljubićs Biografie. Diese Erfahrung wurde zum Auslöser seines Romans „Meeresstille“ (2010), in dem sich ein junger Mann auf überraschende Weise mit dem Heimatland seines Vaters auseinandersetzen musste. Die Beziehung zu einer jungen Serbin, deren Vater vor dem Menschenrechtstribunal in Den Haag steht und für ein Massaker verantwortlich gemacht wird, konfrontiert ihn mit den Geschehnissen während des Bürgerkriegs im ehemaligen Jugoslawien. Wie vielschichtig die Verhältnisse zwischen Tätern und Opfern sind, war eine der Lektionen, die sein Held begreifen musste. Die Frage nach Zugehörigkeit zum Einwanderungsland Deutschland nahm Ljubić als Herausgeber der Anthologie „Schluss mit der Deutschenfeindlichkeit“ (2012) noch einmal aus einer anderen Perspektive ins Visier. Sein aktueller Roman „Als wäre es Liebe“ wendet sich wieder dem komplexen Phänomen der Gewalt zu und dringt in dunkle Zonen vor. Eine Frau verliebt sich in einen Mörder, der für seine Taten zu 49 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Seine Opfer waren ausschließlich Frauen. Lubićs Heldin gibt den gesellschaftlichen Umständen die Schuld an den Verbrechen. Die bedrohlichen Untiefen im Inneren ihres Geliebten will sie nicht sehen. Wieder sind es die Auswüchse extremer Gefühle, die Ljubić auszuloten versucht. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Theodor-Wolff-Preis (2005), ver.di Literaturpreis Berlin-Brandenburg (2010), Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis (2011).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Mathildas Himmel“, Roman, Eichborn, Frankfurt a. M. 2002
– „Feuer, Lebenslust! Erzählungen deutscher Einwanderer“, Klett-Cotta, Stuttgart 2003
– „Genosse Nachwuchs. Wie ich die Welt verändern wollte“, DVA, München 2004
– „Heimatroman oder Wie mein Vater ein Deutscher wurde“, DVA, München 2006
– „Meeresstille“, Roman, Hoffmann und Campe, Hamburg 2010
– „Schluss mit der Deutschenfeindlichkeit. Geschichten aus der Heimat“, Hrsg., Hoffmann und Campe, Hamburg 2012
– „Als wäre es Liebe“, Roman, Hoffmann und Campe, Hamburg, September 2012
Sonntag, 26. August, 14 Uhr, Schlossgarten