Jenny Erpenbeck
Ein Haus ist eigentlich ein Lebewesen. In seinen Wänden, Zimmern und Fußböden lagern sich Schicksale ab. Dieses Mosaik aus lauter Lebensläufen hatte die Regisseurin und Schriftstellerin Jenny Erpenbeck zum Gegenstand ihres Romans „Heimsuchung“ (2008) gemacht. Während sich politische Systeme wandelten, Familien flohen, zerbrachen und sich neu formierten, gab es ein Kontinuum: dieses Haus. „Heimsuchung“ war auch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte ihrer eigenen Familie und dem Vermächtnis der DDR. In ihrem neuen Roman „Aller Tage Abend“ geraten erneut Zeitgeschichte und privates Leben in ein Reibungsverhältnis. Am Anfang steht der Tod: Ein Säugling wird beerdigt. Welchen Unterschied macht es, wann jemand das Leben verliert? In einem Prisma aus lauter Geschichten probiert Jenny Erpenbeck Antworten aus, nimmt Schauplätze in Galizien, Wien, Moskau und Berlin ins Visier und durchschreitet das 20. Jahrhundert mit seinen Brüchen. Die Autorin hat ein erfrischend experimentelles Verhältnis zur Wirklichkeit und findet jedes Mal einen anderen Dreh, sich ihrem Sujet zu nähern. Ihrer Lust an der Form merkt man die Herkunft vom Theater an. Jenny Erpenbeck, 1967 in Ost-Berlin geboren, debütierte 1999 mit „Geschichte vom alten Kind“. Zuvor arbeitete sie als Requisiteurin und Ankleiderin, lernte an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ das Musiktheaterhandwerk von Regisseuren wie Peter Konwitschny, Ruth Berghaus, Heiner Müller und Werner Herzog und inszenierte später in Berlin und Graz. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Preis der Jury beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb (2001), Stipendium als Sylter Inselschreiberin (2006), Solothurner Literaturpreis, Heimito-von-Doderer-Literaturpreis, (2008), Preis der LiteraTour Nord (2009), Literaturpreis der Stahlstiftung Eisenhüttenstadt (2010).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Geschichte vom alten Kind“, Eichborn, Frankfurt a. M. 1999
– „Tand“, Erzählungen, Eichborn, Frankfurt a. M. 2001
– „Wörterbuch“, Eichborn, Frankfurt a. M. 2004
– „Heimsuchung“, Roman, Eichborn, Frankfurt a. M. 2008
– „Dinge, die verschwinden“, Galiani, Berlin 2009
– „Aller Tage Abend“, Roman, Knaus, München, August 2012
Theater (Auswahl):
– „Katzen haben sieben Leben“, UA Vereinigte Bühnen Graz, 2000
– „Leibesübungen für eine Sünderin“, UA Deutsches Theater Berlin, 2003
Sonntag, 26. August, 18 Uhr, Schlossgarten