32. Erlanger Poetenfest — 23. bis 26. August 2012
Nebenpodium im Schlossgarten. Moritz Rinke im Gespräch mit Verena Auffermann – Foto: Erich Malter, 2006

Veranstaltung


Porträt International: A. L. Kennedy
Ihre Herzen werden gebrochen werden
Lesung und Gespräch mit Sigrid Löffler in englischer Sprache
mit deutscher Übersetzung
Lesung in deutscher Sprache: Patricia Litten

Die schottische Erzählerin Alison Louise Kennedy ist eine furchtlose Autorin, eine Spezialistin für riskante Liebesgeschichten. 1965 in Dundee geboren, gilt sie heute schon als eine der wichtigsten literarischen Stimmen Großbritanniens. Sie ist eine Meisterin im Erschaffen klaustrophobischer und obsessiver Welten. Stets geht es in ihren Romanen um Passionen, Verworfenheiten, Erlösungssehnsucht, Todesnähe. Sie spürt den unerklärlichen Dunkelheiten, den Seelenfinsternissen ihrer Figuren nach. Kennedys Plots sind immer hypnotisch, verdreht, schwierig, auf dunkle Art komisch – also tragikomisch – und sehr seltsam. Sie, die in Großbritannien auch als Standup-Comedian und Performerin bekannt geworden ist, reißt den Leser mit durch die Kühnheit und Kraft ihrer Bilder, durch die helle Schärfe ihrer Sprache, voll Selbstironie und grimmigem Witz, voll sarkastischer Komik und schwarzem Humor. Es gibt in Kennedys Romanen und Erzählungen keine Helden und keine Schurken, denn letztlich liebt sie ihre Romanfiguren, wie abgründig, neurotisch und verstört sie auch immer sein mögen.
Insofern ist „Das blaue Buch“ ein typischer Kennedy-Roman – zugleich obsessive Liebesgeschichte und soziale Tragikomödie, Exkursion in eine schäbige Schattenwelt der Täuschungen falscher Heilsbringer, doch immer grundiert vom spöttischen Mitleid der Autorin mit den existenziellen Nöten einer trost- und hilfsbedürftigen Menschheit. In ihrem siebten Roman taucht A. L. Kennedy tief ein in die betrügerische Welt von dubiosen Magiern und Mentalisten, Scharlatanen und falschen Seelentröstern. Das Setting ist klaustrophobisch – ein Luxus-Kreuzfahrtschiff unterwegs nach New York – und zugleich sozial ergiebig mit seiner Fauna kurioser Schiffspassagiere, die Kennedy Raum bieten für gestochen scharfe Porträts einer sarkastischen Gesellschaftskomödie.
Ihre Protagonisten Arthur Lockwood und Elizabeth Barber – Geschäftspartner und Liebespartner – touren jahrelang als falsche Medien durch Provinzstädte und gaukeln einem leichtgläubigen Publikum in Séancen vor, den Kontakt zu geliebten Toten herstellen und deren Botschaften an die Lebenden übermitteln zu können. Bis Elizabeth den faulen Zauber nicht mehr aushält und ihren Partner verlässt. Auf dem Kreuzfahrtschiff begegnen sie sich Jahre später zufällig wieder. Doch ihre zufällige Begegnung zieht ihnen beiden den Boden unter den Füßen weg: Zeit, ihre Lebensentwürfe und ihre gemeinsame Vergangenheit erstmals ehrlich zu überdenken und neu zu bewerten – vielleicht mit der Chance auf eine wahrhaftigere Zukunft.
Ihren Romanstoff, der zum Zynismus geradezu einlädt, behandelt A. L. Kennedy illusionslos präzise, aber mitfühlend. Sie betrachtet die Menschen in all ihrer Jämmerlichkeit doch immer als Mitmenschen: „Ihre Herzen werden gebrochen werden, vielleicht mehr als einmal, und zu irgendeinem unvermeidlichen Zeitpunkt werden sie aufhören zu existieren. Darum können sie nichts als Zärtlichkeit verdienen.“
Sigrid Löffler

aktuell: Das blaue Buch. Roman. Übersetzung aus dem Englischen: Ingo Herzke. Hanser. München, 27. Aug 2012

Samstag, 25. August, 20:30 Uhr, Markgrafentheater
Eintritt: von 5,00 / erm. 3,50 bis 10,00 / erm. 8,50 Euro

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