Sibylle Lewitscharoff
Wo kann, mir nichts, dir nichts, ein Löwe im Arbeitszimmer eines Philosophen aufkreuzen, sich Abend für Abend auf dem Teppich räkeln und den wackeren Denker nach und nach zur Freundschaft verführen? In einem Roman von Sibylle Lewitscharoff natürlich. „Blumenberg“ nennt die 1954 in Stuttgart geborene Schriftstellerin ihr neues Buch, das mit eindrucksvoller Nonchalance auch ein Porträt des berühmten Philosophen Hans Blumenberg entwirft. Ihr Held, der an einer Jugend im Lager unter den Nationalsozialisten trägt und jede Minute seiner verbliebenen Lebenszeit für sinnvolle Dinge nutzen will, findet Erfüllung im Schreiben und Denken und pflegt mit Genuss seine kauzigen Seiten. Nach anfänglicher Beunruhigung wird selbst der stolze Löwe zu einem inspirierenden Begleiter. Schließlich ist Blumenberg dem Geschöpf nicht unähnlich und selbst eine Art König der Tiere. Wie Trabanten umkreisen ihn, ohne dass er sich dessen gewahr wäre, seine Schüler. Aber die Philosophie entpuppt sich als riskante Angelegenheit, die von dem klugen Gerhard über die exaltierte Isa bis zu dem gefallsüchtigen Richard tödliche Folgen hat. Zum Glück gibt es bei Lewitscharoff, die mit den Schicksalsmächten auf vertrautem Fuße steht, immer ein Schlupfloch ins Jenseits. Nach der spitzbübisch-abgründigen Bulgarienerkundung in „Apostoloff“ (2009) und den schrägen Dialogen mit dem Totenreich in „Consummatus“ (2006) führt uns die Schriftstellerin wieder in Sphären, in denen sich das Geschäft des Erzählens, Denkens und Wahrnehmens auf köstlichste Art vermischen. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Ingeborg-Bachmann-Preis (1998), Preis der Stiftung Buchkunst (1999), Kranichsteiner Literaturpreis (2006), Preis der Literaturhäuser (2007), Marie Luise Kaschnitz-Preis (2008), Preis der Leipziger Buchmesse, Spycher: Literaturpreis Leuk (2009), Berliner Literaturpreis (2010), Kleist-Preis, Marieluise-Fleißer-Preis (2011). Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Sibylle Lewitscharoff ist derzeit Stipendiatin im Internationalen Künstlerhaus Villa Concordia in Bamberg.
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „36 Gerechte“, Texte mit eigenen Scherenschnitten, Steinrötter, Münster 1994
– „Pong“, Erzählung, Berlin Verlag, 1998
– „Der höfliche Harald“, Kinderbuch, Berlin Verlag, 1999
– „Montgomery“, Roman, DVA, München 2002
– „Consummatus“, Roman, DVA, München 2006
– „Apostoloff“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2009
– „Der mörderische Kern des Erzählens. Rede zur Eröffnung des Europäischen Schriftstellerkongresses“, Gollenstein, Merzig 2010
– „Blumenberg“, Roman, Suhrkamp, Berlin, September 2011
Samstag, 27. August, 14:00 Uhr, Nebenpodium I und
16:30 Uhr, Schlossgarten