31. Erlanger Poetenfest — 25. bis 28. August 2011
Bilderbuch-Lesewiese im Schlossgarten – Foto: Erich Malter, 2007

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Ulrich Zieger

Vor 20 Jahren tauchte Ulrich Zieger als lyrischer Solitär unter den nervösen Dichtern der „Prenzlauer Berg-Connection“ (Adolf Endler) auf. Es war sofort spürbar, dass hier ein Dichter sprach, dessen poetische Stimme eine Intensität besaß, die einzigartig war in den literarischen Turbulenzen dieser Zeit. Sein Dichterkollege Uwe Kolbe beschrieb voller Bewunderung die lyrische Sprechweise Ulrich Ziegers: „Ich bin wahrlich süchtig geworden nach dieser Art des Schweigens. Es geht eine Kraft aus von ihm, die sich steigert, die von Gedicht zu Gedicht aufbrandender, zwingender wird.“
Aus dem überreizten Berlin zog sich der poetische Einzelgänger bereits 1989 nach Südfrankreich zurück. Zuvor hatte sich der aus dem sächsischen Döbeln stammende Autor einige Jahre lang in der unabhängigen Theatergruppe „Zinnober“ engagiert und sich als Mitherausgeber der Independent-Magazine „Schaden“ und „Verwendung“ betätigt. Sehr früh löste er sich aber von den szenischen Selbstverliebtheiten der Prenzelberg-Dichter und entwickelte einen eigenständigen, luziden Surrealismus, der die Gegenstände seiner Poesie aus den Koordinaten der Alltagsvernunft befreit und in wundersame Schwebezustände versetzt.
Sein erster Gedichtband „Neunzehnhundertfünfundsechzig“, der immerhin mit dem Nicolas Born-Preis ausgezeichnet wurde, kreist in elegischen Sequenzen um eine düstere DDR-Kindheit, in die immer wieder eine unheimliche „Lautlosigkeit“ einbrach. Für den Wim Wenders-Film „In weiter Ferne, so nah“, der 1993 in die Kinos kam, schrieb Ulrich Zieger das Drehbuch. 1997 verschwand er scheinbar endgültig von den Bühnen des Literaturbetriebs.
Nach fast 15 Jahren der planvollen Abwesenheit meldet sich Ulrich Zieger nun mit seinem Band „Aufwartungen im Gehäus“ zurück. Und man darf diesen Titel als Programm verstehen. Der Umschlag seines Buches zeigt ein einsames Haus auf weitem Feld. Und auch einige seiner dunkel melodiösen Gedichte entwerfen ein Szenario der Abgeschiedenheit. Da ist ein elegischer Grundton in diesen Texten, eine dunkle Melodie, die den Leser gefangen nimmt. Wie in seinen Theaterstücken kreisen die Gedichte um ein zentrales Motiv: Verschwinden. Neues Land suchen. Anderes Ufer, Abschied nehmen. (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Nicolas-Born-Preis für Lyrik (1991), Förderpreis zum Brandenburger Literaturpreis (1993), Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung (2000).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Neunzehnhundertfünfundsechzig“, Gedichte, Druckhaus Galrev, Berlin 1990
– „Der zweifelhafte Ruhm dreier Dichter. Eine Wegführung“, Druckhaus Galrev, Berlin 1991
– „Große beruhigte Körper. Ein Poem in 96 Texten“, Druckhaus Galrev, Berlin 1992
– „In der Finsternis“, Prosa, Druckhaus Galrev, Berlin 1993
– „Schwarzland“, Prosa, Druckhaus Galrev, Berlin 1994
– „Der Kasten“, Roman, Druckhaus Galrev, Berlin 1995
– „Vier Hefte. Erzählung, Bühnenstück, Gedichte“, Druckhaus Galrev, Berlin 1999
– „Willkommen und Abschied. Nacherzählung“, Druckhaus Galrev, Berlin 2001
– „Aufwartungen im Gehäus“, Gedichte, Ed. Rugerup, Berlin/Hörby 2011
Theater (Auswahl):
– „Über die Mandelbrotmenge“, UA Schillertheater, Berlin 1993
– „Die Verlagerung der Steppe“, UA theater 89, Berlin 1996
– „Die Sonne ist blau“, UA Kammerspiele Magdeburg, 1998
– „Die Scheinbarkeit und die Irrnis“, UA Niedersächsisches Staatstheater Hannover, 1999
– „Die Erzählung der ganzen Geschichte“, UA Theater Bielefeld, 2002
– „SKETCH oder Die Weltanschauung“, UA Theater Bielefeld, 2003
– „Rückkehr (Woswraschenje)“, UA Thalia Theater, Hamburg 2004
– „Der Bürgermeister. Ein Solo“, UA Theater Bielefeld, 2006

Sonntag, 28. August, 17:30 Uhr, Schlossgarten

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