Michel Bergmann
Michel Bergmann, 1945 als Kind jüdischer Flüchtlinge in Basel geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend in Paris und Frankfurt am Main und lebt heute in Südfrankreich und Hamburg. Er begann seine berufliche Laufbahn als Zeitungsjournalist, wechselte aber bald in die Filmbranche und arbeitet seither als Regisseur, Produzent, Drehbuchautor für Kino und Fernsehen. Vor allem aber: Er ist ein begnadeter Erzähler. Sein in der jiddischen Erzähltradition wurzelnder, subversiver, grotesker und schwarzer Humor ist einzigartig. Die Art und Weise, wie er seine Texte vorträgt, auch. Als 2010 sein Roman-Debüt „Die Teilacher“ herauskam, jubelte die Kritik. Die „Mischung aus Charme und Chuzpe“ schlug Leser und Zuhörer in ihren Bann. Ab Herbst wird der Roman von Sam Garbarski („Irina Palm“) für das Kino verfilmt.
Michel Bergmann erzählt in „Die Teilacher“ von einem Grüppchen jüdischer Handelsvertreter, die unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht – wie andere Überlebende des Holocaust – nach Palästina, Australien oder Amerika ausgewandert, sondern zurück ins Land der Täter, nach Frankfurt am Main, gekommen sind, um dort von Haus zu Haus zu pilgern. Sie bringen Aussteuerpakete, Weißwäsche und andere Waren an die Frau und den Mann. Das Buch ist Schelmenroman und Sittengemälde zugleich. Ein Roman überdies voller Geschichte. Auch wenn sich die von Verfolgung geprägte Vergangenheit reichlich schräger Figuren nicht abschütteln lässt und in beklemmenden Szenen geschildert wird, so sind es gerade die Alltagsszenen in einer noch von Trümmern geprägten Großstadt, die literarisch bestechen. Beim Erlanger Poetenfest stellt Michel Bergmann den Fortsetzungsroman vor. Er heißt „Machloikes“, was, aus dem Jiddischen stammend, so viel heißt wie „Durcheinander“, „Zwiespalt“, „Zwist“. Aus den Hausierern („Teilachern“) sind Teppichhändler geworden. Robert Fränkel zum Beispiel. Einmal in der Woche hat er einen mysteriösen Termin. Er wird von einem CIA-Beamten vorgeladen und muss erklären, wie er, ein Jude, dazu gekommen ist, dass sogar Adolf Hitler persönlich von seiner Kunst, Witze zu erzählen, begeistert war und ihn zu engagieren trachtete. Michel Bergmanns neuer Roman steckt voller makaberer Einfälle, und ist doch ganz und gar realistisch, anrührend, komisch und sehr spannend. (H. St.)
Auszeichnungen u. a.: Bundesfilmpreis (1987), New York Film Award (1998).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Die Teilacher“, Roman, Arche, Zürich/Hamburg 2010
– „Die Ärztin“, Roman, zus. mit A. Apelt (unter dem Pseudonym A. Michel), Aufbau, Berlin 2010
– „Machloikes“, Roman, Arche, Zürich/Hamburg, September 2011
Sonntag, 28. August, 15:30 Uhr, Schlossgarten