Alissa Walser
Diese Frauen wollen etwas. Sich ein Bild machen von sich selbst. Vor allem aber Sex. Sie suchen sich Männer aus, haken sich in ihrem Blick fest an einem Frankfurter Buffet, nehmen sie auf der Straße ins Visier oder gabeln sie an der Uni auf, wo sie als Elektriker arbeiten. „Immer ich“ heißt das neue Buch von Alissa Walser, das eine Serie von neun eng miteinander verzahnten Geschichten umfasst. Die Komposition ist so beschaffen, dass der Leser unversehens zum Rechercheur wird: Ist die Ich-Erzählerin der ersten Geschichte, die von ihrem Stiefvater Onkel Uwe gemahnt wird, immer „Ich“ zu sagen, dann also jene Nina, die in der zweiten Geschichte von außen wahrgenommen wird? Die deutsche Künstlerin aus Brooklyn mit den spleenigen Ideen, die sich hinter einem Fotoapparat versteckt und unbedingt ein Klavier zu Weihnachten will? Das Beziehungsgeflecht entwickelt einen ganz eigenen Sog. Eine einzige Erzählung hat ein historisches Sujet. Anders als in Walsers eindrucksvollem Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“, in dem Mesmer mit seinen ungewöhnlichen musikalischen Heilungsmethoden im Mittelpunkt stand, geht es hier um eine Malerin: die Impressionistin Morrisot. Untergründig scheint immer wieder die Frage auf, wie man sich aus den – männlichen – Betrachtungsweisen lösen kann. Alissa Walser, die selbst eine künstlerische Ausbildung in New York absolvierte und neben eigenen Büchern zahlreiche Übersetzungen vorlegte, gelingen berückende Sprachbilder, die etwas Schwebendes haben und an überbelichtete Fotografien erinnern. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Bettina-von-Arnim-Preis, Ingeborg-Bachmann-Preis (1992), Paul-Scheerbart-Preis (2009), Spycher: Literaturpreis Leuk (2010). Mitglied des P.E.N.-Zentrums Deutschland.
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Dies ist nicht meine ganze Geschichte“, Erzählungen, Rowohlt, Reinbek 1994
– „Die kleinere Hälfte der Welt“, Erzählungen, Rowohlt, Reinbek 2000
– „Am Anfang war die Nacht Musik“, Roman, Piper, München 2010
– „Immer ich“, Erzählung, Piper, München 2011
Theater (Auswahl):
– „Das Entzücken“, UA Theater an der Winkelwiese, Zürich 2000
– „100 Millionen Jahre Porn“, UA Theater Bielefeld, 2004
Sonntag, 28. August, 18:00 Uhr, Schlossgarten