31. Erlanger Poetenfest — 25. bis 28. August 2011
Nebenpodium im Schlossgarten. Moritz Rinke im Gespräch mit Verena Auffermann – Foto: Erich Malter, 2006

Veranstaltung


Zum 200. Todestag von Heinrich von Kleist
Kleist oder Die Kunst des Extremen
Auf den Spuren eines Unbedingten

Podiumsdiskussion mit Jens Bisky, Günter Blamberger, László F. Földényi und
Peter Michalzik, Moderation: Friedrich Dieckmann

In der apokalyptischen Vision, die ein auf die Insel Patmos verbannter Anhänger der verfolgten Christengemeinde um das Jahr 95 niederschrieb, heißt es von den Lauen, die weder warm noch kalt sind, mit drastischem Gotteswort: „Ich werde sie ausspeien aus meinem Munde“. Kleist ist das großartigste Heil- und Hilfsmittel gegen die Lauheit, das die deutsche, vielleicht die Welt-Literatur aufzuweisen hat. Er ist der Mann der Hitze und der Kälte zugleich: einer Hitze, die sich allerorten, im Drama wie in der Erzählung oder der ästhetischen Reflexion, auf die äußerste Zuspitzung versteht, und einer Kälte, die, als die Meisterschaft der Form, das Gefäß dieser Hitze bildet.
Kleist setzt dort an, wo Schiller, als er Professor wurde, aufgehört hatte, und die Sprachkunst, mit der er den Faden aufnimmt, ist unvergleichlich; diese Sprache hat etwas Drängendes, Lustvoll-Angespanntes, das den Leser von einer Wendung zur anderen reißt. Sie setzt Kommata, wie sein Geistes- und Generationsgenosse Beethoven Synkopen setzt, und zeigt sich unverwechselbar noch an der Zeitungsnotiz des Journalisten, der dem gerade erfundenen elektrischen Telegrafen durch die Erfindung einer Bombenpost satirisch Konkurrenz macht.
Kleists dichterisches Werk steht wie brüderlich neben dem musikalischen Beethovens und lässt sich so wenig wie dieses mit den Etiketten klassisch oder romantisch einfangen; es ist beides zugleich und entspringt wie dieses dem vulkanischen Geschichtsboden der in Gestalt einer Okkupation auf Deutschland übergreifenden Französischen Revolution. Mit Beethoven teilt Kleist die Abkehr von Napoleon, die sich vollzieht, als sich der Heros der Revolutionsarmee in den imperialen Gewaltherrscher verwandelt; seine politische Prosa im Kampfjahr 1809 atmet denselben Geist wie die 7. Sinfonie oder die Musik zu „Egmont“.
Kleists Theaterstücke spielen in einem mythischen Griechenland und in den zeitgenössischen Niederlanden, im Deutschland der Ritterzeit und im Preußen des 17. Jahrhunderts. Seine Erzählungen greifen bis nach Chile und Haiti aus – die Welt ist, im Großen und im Kleinen, sein Feld und das problematische Ich auf dem Streckbett der Geschichte sein immer neu gewendetes Thema. Hat er unserer Zeit etwas zu sagen? Über Kleists Werk- und Lebensspuren beugen sich die Autoren unlängst oder gerade erst erschienener Kleist-Deutungen.
Friedrich Dieckmann

Samstag, 27. August, 17:00 Uhr, Markgrafentheater
Eintritt: 5,– / erm. 3,50 Euro

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