Dirk von Petersdorff

„Wer die Schule der Ironie durchlaufen hat, an dem bleibt etwas haften“: So schreibt der Lyriker und Literaturwissenschaftler Dirk von Petersdorff in seinem kürzlich publizierten Essay über das ironische Zeitalter – und das darf man als ästhetisches Credo lesen. Denn von Petersdorff, 1966 in Kiel geboren, hat seit je ein Faible für die Ironie und ihre Möglichkeiten der skeptischen, zweifelnden und spielerischen Weltbetrachtung. Als Literaturwissenschaftler – seit 2009 lehrt er als Professor für Germanistik an der Universität Jena – beruft sich von Petersdorff auf die Theoreme der Frühromantik, über deren „Mysterienreden“ er 1995 in Kiel promovierte. Im Anschluss an die Frühromantik sucht auch der Dichter nach einer ironischen Kunst, mit der ideologische Gewissheiten ausgehebelt und feste Weltanschauungen gelockert werden können. Als Dirk von Petersdorff 1992 mit seinem Gedichtbuch „Wie es weitergeht“ debütierte, unterlief er konsequenterweise in einem Gestus spöttischer Leichtigkeit die alten Ehrwürdigkeits-Haltungen der Poesie – und mit ihnen auch die Sprachspiele der Philosophie. Ein Jahrzehnt später nahm er dann in sehr eloquenten Essays des Bandes „Verlorene Kämpfe“ (2001) Abschied von den Zumutungen der „erschöpften Moderne“. Hier hatte er auch die Elemente seiner ästhetischen Theorie der „offenen Gesellschaft“ zusammengetragen: Neben der Ironie waren das die Heiterkeit und die Utopie-Abstinenz.
Die lyrische Beglaubigung dieser Levitations-Poetik liefern nun auch die alten und neuen Gedichte seines aktuellen Bandes „Nimm den langen Weg nach Haus“. Und siehe da: Aus dem vormaligen Spezialisten für die geistreiche Dekonstruktion der poetischen Altvorderen ist selbst ein entschiedener Traditionalist geworden, der die hohen Töne liebt und die ironischen Zwischentöne nur noch sehr zurückhaltend einsetzt. Das Leichte und das Erhabene, der hohe Ton und die banalisierende Floskel werden in diesen Gedichten kunstvoll zusammengebunden. Dabei muss der romantische Weltschöpfungstraum immer mit Ernüchterungen rechnen. Ein Beispiel dafür ist schon das „Rätsellied“ aus dem Band „Die Teufel in Arezzo“ (2004), das den hohen Ton Hölderlins mit schnoddrigen Versen kurzschließt. Das „Schicksalslose“ ist hier der „Adidas-Tasche“ benachbart. Im „Psalm“ wiederum befindet sich die „Seele“ in unmittelbarer Tuchfühlung mit der „Iso-Matte“. In den jüngsten Gedichten nimmt von Petersdorff eine Haltung der elegischen Retrospektive ein. Der Zyklus „Die Vierzigjährigen“ erzählt vom Lebensgefühl einer Generation, die für sich in der Lebensmitte eine Balance gefunden hat und der doch eine letzte Gewissheit fehlt, ob der eingeschlagene Weg der richtige war. Rückblicke auf den politischen Umbruch 1989 („Denn damals lernten die Propheten lächeln“) verbinden sich mit Reflexionen auf den unsicheren Status der nachfolgenden Generation: „Das steht den Jungen noch bevor / das feine, ungewisse Zukunfts-Brennen.“ (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Leonce-und-Lena-Förderpreis (1991), Friedrich-Hebbel-Preis (1993), Kleist-Preis (1998), Kieler Liliencron-Dozentur für Lyrik (1999), Preis der LiteraTour Nord (2000).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Wie es weitergeht“, Gedichte, S. Fischer, Frankfurt a. M. 1992
– „Zeitlösung“, Gedichte, S. Fischer, Frankfurt a. M. 1995
– „Bekenntnisse und Postkarten“, Gedichte, S. Fischer, Frankfurt a. M. 1999
– „Verlorene Kämpfe”, Essays, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2001
– „Die Teufel in Arezzo“, Gedichte, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2004
– „Lebensanfang. Eine wahre Geschichte”, C. H. Beck, München 2007
– „Geschichte der deutschen Lyrik”, C. H. Beck, München 2008
– „Nimm den langen Weg nach Haus”, Gedichte, C. H. Beck, München, August 2010

Sonntag, 29. August, 18:00 Uhr, Schlossgarten


 

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