Ludwig Fels

Seine literarische Domäne ist ein drastischer Realismus. Einen „deutschen Charles Bukowski“ hat man ihn genannt, einen „Erben Rolf Dieter Brinkmanns“ und einen kompromisslosen „Bürgerschreck“. Der Romancier, Lyriker und Dramatiker Ludwig Fels überrascht und schockiert sein Publikum mit einem Vokabular der Aggressivität, mit Bildern von Schrecken und Schmerz. Seine literarischen Helden bewegen sich meist in einem subproletarischen Milieu, suchen nach Auswegen aus einem verhängnisvollen Alltag aus Wut, Gewalt, Alkohol und roher Sexualität. „Ich bin nicht scharf auf ein akademisches Biedermeier“, hat Fels einmal erklärt – und es verwundert nicht, dass in seinen Romanen nicht der gewaltfreie, gepflegte Diskurs herrscht, sondern das Faustrecht. 1946 in Treuchtlingen in der Fränkischen Alb geboren, wuchs Fels vaterlos und in ärmlichen Verhältnissen auf. Vom Stiefvater geprügelt, absolvierte er nach dem Besuch der Volksschule eine Malerlehre, die er jedoch vorzeitig abbrach, ab 1964 schlug er sich als Hilfsarbeiter in diversen Jobs durch. Nach einem Intermezzo im „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“ trat er 1973 mit dem Gedichtband „Anläufe“ erstmals an die Öffentlichkeit. Es folgten erfolgreiche Romane wie „Die Sünden der Armut“ (1975), „Ein Unding der Liebe“ (1981) und „Der Himmel war eine große Gegenwart“ (1990). Gegen die eigene Sprachnot anschreibend, thematisiert Fels in seinen frühen Romanen und Gedichten den Alltag der sozial Depravierten und die masochistischen Rasereien in zerstörten Liebesverhältnissen. Hier sind Obdachlose, Fixer und Säufer, Büfettmädchen oder alte Arbeiterfrauen die Protagonisten. Ihrem unterdrückten Liebesbedürfnis, ihrem ohnmächtigen Widerstand, ihrer meist nach innen sich kehrenden Wut leiht Fels seine Stimme: „Ich weiß jetzt, daß ich wieder/angreifen muß, zurückschlagen/mit aller Gewalt.“
An diese Geste der Auflehnung, der verzweifelten Rebellion gegen den stummen Zwang der Verhältnisse erinnert auch ein Motto in Ludwig Fels’ neuem Gedichtband „Egal wo das Ende der Welt liegt“. Es ist eine Zeile der Folkrock-Band „The Avett Brothers“: „I used all my words to fight“. Dieser Kampf der Wörter gegen repressive Zustände wird auch im „Prolog“ zitiert, wo es doppelbödig heißt: „Ein Gedicht kann sein wie eine Waffe, die man gegen sich selbst richtet.“ Hier wird das Schreiben wieder zur wütenden Selbstverteidigung. Fels’ Poesie mobilisiert „das Herz, den alten Rebell“ – und auch die Hoffnung auf eine bessere Welt. In direkter Beschwörung seiner Empfindungen von Einsamkeit und Sehnsucht, Angst und Schmerz unternimmt Ludwig Fels den Versuch, „sich schreibend wachzuträumen“. Die schönsten Gedichte fügen sich zu einfachen Songs: „Warum, woher, wohin / die Frage krallt im Mark / das Leben das ist arg / und meistens ohne Sinn. // Warum, woher, wohin / der Tod hat’s nicht nötig zu lachen / wird’ ihm die Träume vermachen / meinen einzigen Gewinn.“ (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Leonce-und-Lena-Preis, Preis der SWR-Bestenliste (1979), Kulturpreis der Stadt Nürnberg (1981), Hans-Fallada-Preis (1983), Stadtschreiber von Bergen-Enkheim (1985), Stipendium Villa Massimo Rom (1987), Hamburger Stipendium für dialogische Literatur (1991), Literaturpreis des Deutschen Literaturfonds, Kranichsteiner Literaturpreis (1992), Otto-Braun-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung Weimar, Elias Canetti-Stipendium der Stadt Wien (2000), Wolfgang-Koeppen-Preis (2004), Literaturpreis der Wilhelm und Christine Hirschmann-Stiftung (2009).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Anläufe“, Gedichte, Luchterhand, Darmstadt 1973
– „Platzangst“, Erzählungen, Luchterhand, Darmstadt 1974
– „Ernüchterung“, Gedichte, Renner, Erlangen 1975
– „Die Sünden der Armut“, Roman, Luchterhand, Darmstadt 1975
– „Alles geht weiter“, Gedichte, Luchterhand, Darmstadt 1977
– „Ich bau aus der Schreibmaschine eine Axt. Gedichte und Geschichten“, Aufbau, Weimar/Berlin 1980
– „Ein Unding der Liebe“, Roman, Luchterhand, Darmstadt 1981
– „Betonmärchen“, Prosa, Luchterhand, Darmstadt 1983
– „Der Anfang der Vergangenheit“, Gedichte, Piper, München 1984
– „Die Eroberung der Liebe. Heimatbilder“, Piper, München 1985
– „Rosen für Afrika“, Roman, Piper, München 1987
– „Blaue Allee, versprengte Tataren“, Gedichte, Piper, München 1988
– „Der Himmel war eine große Gegenwart. Ein Abschied“, Roman, Piper, München 1990
– „Bleeding Heart“, Roman, Piper, München 1993
– „Mister Joe“, Roman, Luchterhand, München 1997
– „Krums Versuchung“, Roman, Europa, Hamburg 2003
– „Reise zum Mittelpunkt des Herzens”, Roman, Jung und Jung, Salzburg 2006
– „Die Parks von Palilula“, Jung und Jung, Salzburg 2009
– „Egal wo das Ende der Welt liegt“, Gedichte, Jung und Jung, Salzburg, August 2010

Samstag, 28. August, 14:30 Uhr, Schlossgarten


 

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