Peter Wawerzinek

Der Auftritt Peter Wawerzineks in diesem Jahr in Klagenfurt gehört zu den schönsten Comebacks im literarischen Leben unseres Landes seit langem. Nicht nur, weil der 1954 als Peter Runkel bei Rostock geborene Schriftsteller den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann, sondern weil die autobiografische Geschichte mit dem Titel „Rabenliebe“ wirklich einer der eindrucksvollsten Texte ist, die in jüngster Zeit von einem Autor seiner Generation über die eigene Kindheit geschrieben wurden. Eine Kindheit, wie man sie sich trauriger kaum vorstellen kann. Der Junge wuchs in verschiedenen Kinderheimen der DDR auf, weil die Eltern in den Westen „rüber machten“ und ihren Sohn allein zurückließen. In seinem Text fragt sich der Autor, warum. Eine Art literarische Suchbewegung also, die zum Erstaunen des Lesers den Autor nicht zu einer Verdammung seiner Eltern führte – sondern auf die Höhen einer selbst an den traurigsten Stellen lakonisch bleibenden Erzählkunst.
Als Peter Wawerzinek nach der Lehre als Textilzeichner, einem (abgebrochenen) Kunststudium, dem Dienst bei der Nationalen Volksarmee und nach verschiedenen Jobs (Briefträger, Totengräber u. a.) zu schreiben begann und als Stegreifpoet durch die ostdeutschen Provinzen reiste, beherzigte er noch einen dadaistischen, zwischen Klamauk und Parodie changierenden Ton, der an sein Vorbild, den 2009 verstorbenen Dichter Adolf Endler erinnerte und später auch an den experimentellen Hochmut der Poeten vom Prenzlauer Berg – wo er allerdings, wie überall, wo er auftrat, ein Außenseiter blieb. Wawerzineks atemlose, rhythmische, von gedanklichen wie sprachlichen Assoziationsketten zusammengehaltene Prosa überzeugte in einigen Büchern durchaus. „Nix“ war eine Art Künstler-Roman, im Jahr der Deutschen Einheit veröffentlicht, der dem erstaunten Publikum in Ost und West authentische Einblicke in die Ost-Berliner Boheme gewährte. Wawerzinek stand damals auch als Rocksänger auf der Bühne. Zog es ihn in sein Heimatdorf Rerik an der Ostsee, ließ er sich bei seinem lokalen Männergesangverein blicken und tat tüchtig mit. Doch so sehr sich das Feuilleton in den 90er-Jahren auch bemühte, in dem „Asphalt- und Hinterhofdichter“ ein Genie auszumachen – einen renommierten Verlag für seine Texte fand „ScHappy“ Wawerzinek nicht. Allerdings: Ohne die Kleinverlage der damaligen Zeit wäre von ihm gar nichts veröffentlicht und das Comeback bis zum Sankt Nimmerleinstag verschoben worden – und nicht „nur“ bis zu diesem Sommer. (H. St.)
Auszeichnungen u. a.: Berliner Kritikerpreis für Literatur, Bertelsmann-Stipendium beim Ingeborg-Bachmann-Preis (1991), Hörspielpreis der Akademie der Künste Berlin, Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1993), Stipendium der Stiftung Preußische Seehandlung (2009), Ingeborg-Bachmann-Preis und Ingeborg-Bachmann-Publikumspreis (2010).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Es war einmal … Parodien zur DDR-Literatur”, Unabhängige Verlagsbuchhandlung Ackerstraße, Berlin 1990
– „Nix”, Roman, Warnke und Maas, Berlin 1990
– „Moppel Schappiks Tätowierungen”, Unabhängige Verlagsbuchhandlung Ackerstraße, Berlin 1991
– „Das Kind das ich war”, Transit, Berlin 1994
– „Mein Babylon”, Transit, Berlin 1995
– „Vielleicht kommt Peter noch vorbei”, G. Kiepenheuer, Leipzig 1997
– „Café Komplott. Eine glückliche Begebenheit“, Transit, Berlin 1998
– „Das Meer an sich ist weniger”, Transit, Berlin 2000
– „Sperrzone reines Deutschland. Szenen einer Sommerreise”, Transit, Berlin 2001
– „Rabenliebe”, Roman, Galiani Berlin, August 2010

Sonntag, 29. August, 17:00 Uhr, Schlossgarten


 

Website:
www.wawerzinek.de

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