Robert Menasse

„Irgendwann wird sie [die zeitgenössische Literatur], wie immer, nicht mehr anders gelesen werden können als dahin gehend, ob sie zu erzählen und darzustellen verstand, was vorging, scheinbar und unscheinbar“, heißt es 2006 in Robert Menasses kontrovers diskutierten Frankfurter Poetikvorlesungen. Gemessen an diesem Credo der Darstellung der Zeitgenossenschaft können es die Werke des 1954 in Wien geborenen Romanciers und Essayisten mit ihren großen Vorgängern aufnehmen. So wie man Theodor Fontane liest, um etwas über das preußische Junkertum zu erfahren oder Thomas Mann wegen der Schilderung des demokratiefeindlichen Bürgertums, wird man dereinst zu Robert Menasse greifen, um sich ein Bild der nachgeborenen 68er-Generation zu machen. Seine Roman-Trilogie der Entgeisterung („Sinnliche Gewissheit“, „Selige Zeiten, brüchige Welt“, „Schubumkehr“) zählt zu den bedeutendsten Werken der deutschsprachigen Literatur im ausgehenden 20. Jahrhundert. Und auch die ebenso tiefgängigen wie humorvollen Romane „Die Vertreibung aus der Hölle“ und „Don Juan de la Mancha“ gehören in diesen Kontext. Beim Erlanger Poetenfest präsentiert sich der großartige Romancier, kritische Essayist und politische Philosoph erstmals mit einem Erzählband. „Ich kann jeder sagen“ enthält dreizehn Ich-Erzählungen vom Ende der Nachkriegszeit, die sich um das magische Datum des 9. November 1989 ranken. Ein gehaltvolles Stück zeitgenössischer Literatur, das erzählt, was in unserer Gesellschaft vorgeht. (D. K.)
Auszeichnungen u. a.: Literaturförderpreis der Stadt Wien (1989), Heimito-von-Doderer-Preis (1991), Hans-Erich-Nossak-Förderpreis (1992), Marburger Literaturpreis (1994), Hugo-Ball-Preis (1996), Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (1998), Grimmelshausen-Preis (1999), Marie-Luise-Kaschnitz-Preis, Lion-Feuchtwanger-Preis, Friedrich-Hölderlin-Preis, Joseph-Breitbach-Preis (2002), Erich-Fried-Preis (2003).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Sinnliche Gewissheit“, Roman, Rowohlt, Reinbek 1988
– „Selige Zeiten, brüchige Welt“, Roman, Residenz, Salzburg 1991
– „Schubumkehr“, Roman, Residenz, Salzburg 1995
– „Hysterien und andere historische Irrtümer“, Essay, Sonderzahl, Wien 1996
– „Die letzte Märchenprinzessin“, zus. mit E. Menasse, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1997
– „Der mächtigste Mann. Extra: Bastelbogen mit Schlips-Trick!“, zus. mit E. Menasse, Illustr. von K. Klein, Deuticke, Wien 1998
– „Erklär mir Österreich. Essays zur österreichischen Geschichte“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2000
– „Die Vertreibung aus der Hölle“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2001
– „Das war Österreich“, Essays, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2005
– „Die Zerstörung der Welt als Wille und Vorstellung. Frankfurter Poetikvorlesungen“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2006
– „Das Paradies der Ungeliebten. Ein Schauspiel“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2006
– „Don Juan de la Mancha oder Die Erziehung der Lust“, Roman, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2007
– „Permanente Revolution der Begriffe“, Essays, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2009
– „Ich kann jeder sagen. Erzählungen vom Ende der Nachkriegsordnung“, Suhrkamp, Frankfurt a. M., August 2009


Sonntag, 30. August, 15:30 Uhr, Schlossgarten

 

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