Raoul Schrott

Geboren 1964, wuchs in Tunis, Zürich und Landeck/Tirol auf. Raoul Schrott studierte Germanistik, Anglistik und Amerikanistik an der Universität Innsbruck, Studienaufenthalte führten ihn an die University of East Anglia, Norwich, und an die Sorbonne, Paris. 1988 Promotion in Innsbruck über Dadaismus, 1996 Habilitation am Institut für Komparatistik in Innsbruck mit einer Arbeit über vergleichende Poetik. Schrott war 1986/87 als Sekretär des Surrealisten Philippe Soupault in Paris tätig und arbeitete 1990–1993 als Lektor für Germanistik am Istituto Orientale in Neapel.
Raoul Schrott, einer der bedeutendsten Lyriker und Romanciers seiner Generation und einer der vielseitigsten Schriftsteller deutscher Sprache ist zuletzt vor allem auch als Übersetzer hervorgetreten. Schon „Die Erfindung der Poesie“ ist ein Versuch, fremde poetische Bildwelten weiter zu denken. Nach den „Bakchen“ des Euripides und dem „Gilgamesh“-Epos hat sich Raoul Schrott in den vergangenen Jahren ein weiteres Grundbuch der abendländischen Kultur und Literatur vorgenommen: Homers „Ilias“. Als Raoul Schrott 2005 im Auftrag der Hörspielredaktionen des Hessischen Rundfunks und des Deutschlandfunks die „Ilias“ neu zu übersetzen begann, fielen ihm zahlreiche Parallelen zu „Gilgamesh“ und anderen orientalischen Epen auf. Schrott verlagert den Schauplatz des Epos aus dem westtürkischen Hirsalik in das kleinasiatische Kilikien. Aus dem fahrenden Sänger und Dichtergenie wird ein griechischer Schreiber im assyrischen Staatsdienst. Während die einen Schrotts Thesen als „irrwitzige Fantasterei“ (Joachim Latacz) abtun, findet Schrotts Entgrenzung unseres griechischen Kulturmodells immer mehr Fürsprecher. In einem modernen Duktus gestaltet Schrott aus, was im Original angelegt ist. Ein Kulturvermittler wie Homer ist auch Raoul Schrott. Der Übersetzer wird zum Rhapsoden. Seine am lebendigen Gegenwartsdeutsch orientierte Neuübersetzung der „Ilias“ ermöglicht es, die literarische Bildgestaltung Homers auf eine anregende, Horizonte verschiebende und erweiternde Weise neu zu verstehen. (A. LS.)

(Einen ausführlichen Text über Raoul Schrott finden Sie bei "Die Porträts" unter dem Menüpunkt "Programm/Veranstaltungen")

Auszeichnungen u. a.: Nachwuchsstipendium des österreichischen Bundesministeriums für Unterricht und Kunst (1990), Literaturstipendium des Landes Tirol (1992), Österreichisches Staatsstipendium (1993), Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb (1994), Leonce-und-Lena-Preis (1995), Rauriser Literaturpreis, Berliner Literaturpreis, Hörspielpreis des Bayerischen Rundfunks, Robert-Musil-Stipendium, Friedrich-Hölderlin-Förderpreis (1996), Peter-Huchel-Preis (1999), Joseph-Breitbach-Preis, Mainzer Stadtschreiber (2004), Guntram und Irene Rinke-Stiftung (2007).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Hotels“, Gedichte, Haymon, Innsbruck 1995
– „Finis terrae. Ein Nachlaß“, Roman, Haymon, Innsbruck 1995 und 2009
– „Palazzo Passionei“, mit Bildern von C. Ljubanovic, Haymon, Innsbruck 1996
– „Tropen. Über das Erhabene“, Gedichte, Hanser, München 1998
– „Bakchen. Nach Euripides“, Novelle, Hanser, München 2000
– „Das Geschlecht der Engel, der Himmel der Heiligen. Ein Brevier“, Hanser, München 2001
– „Khamsin. Die Namen der Wüste“, Erzählung und Essay, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2002
– „Tristan da Cunha oder Die Hälfte der Erde“, Roman, Hanser, München 2003
– „Weissbuch“, Gedichte, Hanser, München 2004
– „Handbuch der Wolkenputzerei“, Essays, Hanser, München 2005
– „Die fünfte Welt. Ein Logbuch“, Fotos von H. Jakobi, Haymon, Innsbruck 2007
– „Homers Heimat. Der Kampf um Troia und seine realen Hintergründe“, Hanser, München 2008
Übersetzungen (Auswahl):
– Derek Walcott: „Mittsommer“, Hanser, München 1994
– „Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren“, Eichborn, Frankfurt a. M. 1997
– Euripides: „Bakchen“, Hanser, München 1999
– „Gilgamesh“, Epos, Hanser, München 2001
– Homer: „Ilias“, Hanser, München 2008
Theater (Auswahl):
– „Die Bakchen“, nach Euripides, UA Burgtheater, Wien 1999
– „Gilgamesh“, UA Burgtheater, Wien 2002


Freitag, 28. August, 16 Uhr, Markgrafentheater, Bühnenhaus und 19 Uhr, Markgrafentheater

 

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