Matthias Politycki

Nachdem er in den 80er-Jahren als Akademischer Rat an der Münchner Universität ordentlich Sitzfleisch bewies, entschied sich der 1955 in Karlsruhe geborene Matthias Politycki für ein Dasein als Weltenbummler. Für ihn durchaus vereinbar mit dem Sitzen am Schreibtisch, um Gedichte und Romane aufs Papier zu bringen. Das tut er seit seinem hoch experimentellen 1000-seitigen Debüt „Aus Fälle/Zerlegung des Regenbogens“ (1987) mit zunehmender Verve. Das Flugticket immer in Reichweite. Nach verschiedenen Gedicht- und Prosabänden landete er in Japan und schrieb „Taifun über Kyôto“ (1993), 1997 dann den in Liebesdingen, Fußball, Popmusik und anderen sittlichen Fragen vollkommen unerschrockenen „Weiberroman“. Der Schlüsselroman zur sogenannten 78er-Generation. Auch die Fortsetzung „Ein Mann von vierzig Jahren“ (2000) erregte die Gemüter. Ferne Länder und die nahe Provinz entdeckte er in 17 Reiseepisoden, die unter dem einmal mehr genialen Titel „Das Schweigen am anderen Ende des Rüssels“ (2001) erschienen. Nachdem der Autor in einem Gedichtband den sehr lyrischen „Ratschlag zum Verzehr der Seidenraupe“ gab, ging er wieder auf große Reise. Er recherchierte monatelang auf Kuba, um seinen Helden – einen aus der Welt fallenden Hamburger Bankier – tropische Hitze, heiße Rhythmen und betörend schöne Frauen genießen und daran leiden zu lassen. „Eine Mischung aus Höllentrip und Gralssuche, die Verheißung und Verderben zugleich umfasst“, jubelte die Kritik. Als Politycki 2006 von Hapag Lloyd ein Schiffsticket geschenkt bekam und die „MS Europa“ bestieg, kam er nach einem halben Jahr Weltreise mit einem Manuskript zurück, dessen Titel nach Jules Verne klingt, aber ganz realistisch Fernweh heraufbeschwört: „In 180 Tagen um die Welt“ (2008). Matthias Politycki, wieder unterwegs, kommt direkt aus Usbekistan nach Erlangen, um aus seiner zum Poetenfest erscheinenden „Jenseitsnovelle“ zu lesen. Eine mitreißende Liebesgeschichte – und schlimmster Albtraum zugleich. (H. St.)
Auszeichnungen u. a.: Civitas-Literaturpreis (1987), Bayerischer Staatsförderpreis für Literatur (1988), Ledig House International Writer’s Colony, New York (2000), Stipendium des Deutschen Literaturfonds (2004), „Writer-in-non-Residence“ auf der MS Europa (2006/2007), Ernst-Hoferichter-Preis der Stadt München, Writer-in-Residence am Queen Mary College London (2009).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Aus Fälle/Zerlegung des Regenbogens. Ein Entwicklungsroman“, Weismann, München 1987
– „Im Schatten der Schrift hier. Zweiundzwanzig Gedichte“, Weismann, München 1988
– „Sonnenbaden in Sibirien. Dreiseitige Geschichten“, Keicher, Warmbronn 1991
– „Taifun über Kyôto“, Roman, Luchterhand, Hamburg 1993
– „Jenseits von Wurst und Käse. 44 Gedichte“, Luchterhand, München 1995
– „Der böse Einfluß der Bifi-Wurst. Ein End- und ein Nachspiel“, Keicher, Warmbronn 1996
– „Weiberroman. Historisch-Kritische Gesamtausgabe“, Luchterhand, München 1997
– „Ein Mann von vierzig Jahren“, Roman, Luchterhand, München 2000
– „Das Schweigen am anderen Ende des Rüssels“, Erzählungen, Hoffmann und Campe, Hamburg 2001
– „Ratschlag zum Verzehr der Seidenraupe. 66 Gedichte“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2003
– „Herr der Hörner“, Roman, Hoffmann und Campe, Hamburg 2005
– „In 180 Tagen um die Welt. Das Logbuch des Herrn Johann Gottlieb Fichtl“, mare, Hamburg 2008
– „Die Sekunden danach. 88 Gedichte“, Hoffmann und Campe, Hamburg, 2009
– „Jenseitsnovelle“, Hoffmann und Campe, Hamburg, September 2009


Samstag, 29. August, 16:30 Uhr, Schlossgarten

 

Website:
www.matthias-politycki.de

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