Ingrid Noll

Wird Ingrid Noll auf ihre etwas älteren Tage etwa milde? Zwar mixte sie in ihrem jüngsten Roman „Kuckuckskind“ die bewährten Zutaten von Liebesglut, Eifersucht und Intrige. Doch gibt es überhaupt ein Verbrechen? Oder nur Todesfälle aus Unglück und Verzweiflung? Und warum ist dem Finale so viel gute Hoffnung eingeschrieben, und im Garten werden Hyazinthenzwiebeln gesteckt? Ist sie des alltäglichen Mordens aus fraulichem Grimm und weiblicher Leidenschaft überdrüssig geworden? Das war doch ihr Markenzeichen, seit sie 1991 ihr erstes Buch „Der Hahn ist tot“ veröffentlicht hat. Da war sie 55 Jahre alt. Und es ist seltsam, ihre diversen Biografien zu studieren. Die enden fast alle mit diesem Lebensjahr. Erster Krimi, erster Erfolg. Und dann nur noch Erfolge. Große Auflage, große Fan-Gemeinde, Verfilmungen. Inzwischen kommt sie um den Titel der Grande Dame deutscher Kriminalliteratur kaum noch herum. Offensichtlich wollen viele Leser wissen, wie man/frau aus dem gewöhnlichen Leben in Mord und Totschlag stolpern kann. Mit lockerer, schwarzer Tastatur hat Ingrid Noll solche Fälle geschildert. Sie wurde 1935 als Tochter eines Arztes in Shanghai geboren. Die Kindheit verbrachte sie in Nanking, wo sie erste Geschichten schrieb. 1949 kehrte die Familie nach Deutschland zurück. In Bad Godesberg ging Ingrid Noll zur Schule, machte Abitur, begann das Studium der Germanistik und brach es nach wenigen Semestern ab. Sie übte verschiedene Berufe aus, bevor sie 1959 heiratete, in der Arztpraxis ihres Mannes half, drei Kinder bekam und erzog. Dann schickte sie ein Manuskript an den Diogenes Verlag. Und damit endet irgendwie ihre Biografie, obwohl sie sich inzwischen als vorlesende Großmutter wohlfühlt. Vielleicht rührt daher ihre neue Milde. (H. H.)
Auszeichnungen u. a.: Friedrich-Glauser-Preis (1994), Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (2002), Friedrich-Glauser-Ehrenpreis (2005).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Der Hahn ist tot“, Roman, Diogenes, Zürich 1991
– „Die Häupter meiner Lieben“, Roman, Diogenes, Zürich 1993
– „Die Apothekerin“, Roman, Diogenes, Zürich 1994
– „Der Schweinepascha“, Kinderbuch, Diogenes, Zürich 1996
– „Kalt ist der Abendhauch“, Roman, Diogenes, Zürich 1996
– „Stich für Stich. Fünf schlimme Geschichten“, Diogenes, Zürich 1997
– „Röslein Rot“, Roman, Diogenes, Zürich 1998
– „Die Sekretärin. Drei Rachegeschichten“, Diogenes, Zürich 2000
– „Selige Witwen“, Roman, Diogenes, Zürich 2001
– „Rabenbrüder“, Roman, Diogenes, Zürich 2003
– „Falsche Zungen. Gesammelte Geschichten“, Diogenes, Zürich 2004
– „Ladylike“, Roman, Diogenes, Zürich 2006
– „Kuckuckskind“, Roman, Diogenes, Zürich 2008


Samstag, 29. August, 20 Uhr, Schloss, Senatssaal (1. OG)

 

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