Horst Hussel

„Am liebsten möchte Franz sofort wieder einschlafen. Jede Silbe gleichmäßig betonend, artikuliert sein Mund: A-del-heid. Sofort ist ihm besser! Acht Buchstaben reichen ihm, um weitere Damenschönheiten zu zitieren: Heidelde Hand in Hand mit Haldeide, Lehdeida und Deihalde umringelreigen ihn in seinem Bett. Deihaldes Bemerkung, ‚Dem ist wohl das Kolophonium unter den Kasten gerollt’, will Franz überhört haben. Weiter geht es mit ‚Ade-laide’, ... ‚Eile dada’, gefolgt von ‚Adolphine’. Ob er sein Register von ‚Adelaide’ bis ‚Zaire’ bis zur Abendstunde schaffen wird? Nur bis ‚Constanze’ ist er gekommen, weiter nicht.“
Keine Bange, Franz schafft es noch, die Frauenwelt von A bis Z zu charmieren, indem er gekonnt sprachliche Pfauenräder schlägt. Franz, das ist der Held – will sagen: rote Faden –in Horst Hussels „Aprillenwetter“, aus dem er in Erlangen lesen wird, einem gänzlich aus der Zeit gefallenen Belegstück literarischer Hochkomik. 1934 in Greifswald geboren, besuchte Hussel die Fachschule für Angewandte Kunst in Wismar, die Hochschule für Bildende Künste Dresden, die Hochschule für Bildende und Angewandte Kunst Berlin-Weißensee und die Hochschule für Bildende Künste Berlin-Charlottenburg. Als Grafiker, Bildender Künstler und führender Buchgestalter der DDR wurde er seit den 80er-Jahren auch selbst zunehmend literarisch tätig.
„Eile Dada“ gibt die Richtung vor. Nur eine von vielen, Verwandtschaftslinien lassen sich zu unterschiedlichsten Ahnen ziehen. 75 Jahre alt ist der Doyen der ostdeutschen Buchgrafik – der vom Wort in optischer Gestalt zum Wort als Klang gefunden hat – am 28. April dieses Jahres geworden – genau an dem Tag, an dem 60 Jahre vor ihm Sprachzuchtmeister Karl Kraus geboren wurde. Hussel liegt zwar wie Karl Kraus die Sprache innig am Herzen, doch nähert er sich ihr nicht mit dem Seziermesser, sondern lauschend, staunend, den Möglichkeiten jedweder schrägen Kombinatorik auf der Spur. So tauchen die seltsamsten Frauennamen bei ihm auf, weil sie musikalisch schweben wie Flötentöne im Wind.
Auszeichnungen u. a.: Friedrich-Schröder-Sonnenstern-Medaille (1969), Jule-Hammer-Preis (1993), Dürer-Plakette der Friedrich-Schröder-Sonnenstern-Gesellschaft (2001).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Briviéra“, Eulenspiegel, Berlin 1982
– „Herrengespräch. 7 Dialoge“, Friedenauer Presse, Berlin 1985
– „Calmen. 23 Gespräche und 12 Zeichnungen“, Reclam, Leipzig 1985
– „Abendglühn. Gespräche, Briefe, Geschichten“, Renner, München 1986
– „Hageböck. Gespräche, eine Erinnerung und Zeichnungen“, Friedenauer Presse, Berlin 1992
– „Vier nachgereichte Briefe an Herrn S.“, Renner, München 1993
– „Schmähzeichnungen“, Renner, München 1994
– „Kompliment, Fräulein Rosa! Gespräche“, Transit Buchverlag, Berlin 1997
– „Das Mastodon. Ein Dramolett mit sieben Bildern“, Wiener Hof-Presse, Berlin 2000
– „Signeten“, Dronte Presse, Berlin 2001
– „Fliegende Gurken. Eine Gartengeschichte“, Dronte Presse, Berlin 2002
– „Hebriden-Landschaften“, Dronte Presse, Berlin 2004
– „Aprillenwetter. Geschichten und Dramolette“, Friedenauer Presse, Berlin 2009


Sonntag, 30. August, 17 Uhr, Schlossgarten

 

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