Habib Bektaş

Der Kurdenjunge Memo kommt mit seiner Familie aus dem Südosten der Türkei in den Westen nach Marmaris. Ein Zwischenstopp nur, denn man will weiter: in das „Land der Ungläubigen“, wie Memo es nennt. Doch die Preise für einen Platz in einem illegalen Flüchtlingsschiff sind unbezahlbar. Die Familie landet in einem Slumgebiet am Rand der Stadt. Am Strand entdeckt Memo seinen Lieblingsfelsen. Hier sitzt er stundenlang und träumt in den Tag hinein: von Schokolade, Bananen, Milch und Zahnpasta, die es im „Land der Ungläubigen“ massenweise geben soll.
Irgendwann ist das Geld für die Flucht nach Italien gespart. Nachts schleicht man auf ein windiges Boot. Drei Tage und Nächte kauert die Familie unter Deck, dabei wird Memos Cousine Dilan krank und stirbt. Schließlich heißt es, man sei am Ziel. Das tote Mädchen in den Armen, steht die Familie am Strand. Der Kapitän hat sie ganz in der Nähe von Memos Lieblingsfelsen wieder an Land gelassen. Ihr Geld, ihre Hoffnung, alles ist dahin. Memo macht sich auf die Suche nach dem betrügerischen Kapitän ...
Habib Bektaş’ im Jahr 2000 auf Türkisch erschienener, mit dem renommierten Ömer Asim Aksoy-Preis ausgezeichneter und jetzt erstmals in deutscher Übersetzung vorliegender Roman „Hinterhof des Paradieses“ rührt zutiefst. Bektaş beherrscht es wie kaum ein anderer, dem kindlichen Blick zu folgen. Aus dieser neugierigen, vorurteilsfreien und scheinbar naiven Sicht erscheint der Wahnsinn der Erwachsenenwelt mit einem Mal im rechten Licht.
Dagegen ist die Biografie von Memos Erfinder Habib Bektaş eine Erfolgsgeschichte. 1951 im türkischen Salihi nahe Izmir geboren, wanderte Bektaş 1973 nach Deutschland aus, wo er einige Jahre als Textil- und Metallarbeiter, dann als Streetworker tätig war, bevor er sich als Wirt des mittlerweile legendären Erlanger „Theatercafés“ selbstständig machte. Seine ersten Gedichte erschienen in den 70er-Jahren in renommierten türkischen Literaturzeitschriften. Schon bald ging Bektaş dazu über, seine auf Türkisch verfassten Werke ins Deutsche zu übertragen. Auf diese Weise entstanden seither zahlreiche Romane, Erzählungsbände und Kinderbücher, in denen sich Bektaş vor allem mit dem Land seiner Herkunft und dem Lebensgefühl der zweiten und dritten Migrantengeneration in Deutschland beschäftigt. Wer sich von Migrantenliteratur ein gesinnungsästhetisches Trostpflaster oder multikulturelle Idylle erhofft, wird bei Habib Bektaş nicht fündig werden. Im Gegenteil: „Jeder Ort ist für mich Fremde“, heißt sein Credo.
Vor drei Jahren hat Habib Bektaş gemeinsam mit Yüksel Pazarkaya einen eigenen Verlag gegründet. Der Sardes-Verlag mit Sitz in Erlangen hat es sich auf die Fahnen geschrieben, Brücken zwischen der türkischen und deutschen Kultur zu bauen. Beim 28. Erlanger Poetenfest liest Habib Bektaş neben seinem neuen Roman auch einige Gedichte aus seinem neuesten Lyrik-Band „Das Gedächtnis der Spiegel“.
Auszeichnungen u. a.: Kulturförderpreis der Stadt Erlangen (1982), Romanpreis der Zeitung Milliyet (1989), Romanpreis des Inkilap Verlages (1997), Ömer Asim Aksoy-Preis (2000).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „ohne dich ist jede stadt eine wüste“, Gedichte, Damnitz, Neuss 1984
– „Das Länderspiel“, Erzählungen, Heliopolis, Tübingen 1991
– „Mein Freund der Opabaum“, mit Illustr. von Irmgard Guhe, Boje-Verlag, Erlangen 1991
– „Şirin wünscht sich einen Weihnachtsbaum“, Weihnachtsgeschichte in deutscher und türkischer Sprache, Maier, Ravensburg 1991
– „Metin macht Geschichten“, Boje-Verlag, Erlangen 1994
– „Zaghaft meine Sehnsucht“, Gedichte, Horlemann, Unkel/Rhein 1997
– „babel zum trotz“, Foto-Textbuch, zus. mit Bernd Böhner, Horlemann, Unkel 2002
– „Ein gewöhnlicher Tag“, Kurzgeschichten, Sardes, Erlangen 2005
– „Ein Päckchen ‚H’“, Erzählungen, Sardes, Erlangen 2006
– „Farbe des Lichts“, Gedichte, Aquarelle von Gisela Aulfes-Daeschler, Sardes, Erlangen 2006
– „Hamriyanim – Frau Teig“, Roman, Sardes, Erlangen 2007
– „Ein Gedicht, ohne Widmung“, Sardes, Erlangen 2007
– „Das Gedächtnis der Spiegel“, Gedichte, Sardes, Erlangen, August 2008
– „Hinterhof des Paradieses“, Roman, Sardes, Erlangen, Oktober 2008


Samstag, 30.8., 18 Uhr, Schlossgarten

 

Website:
www.habibbektas.com