Sabine Scho Ihr Platz ist zwischen den Kunstgattungen: Zwischen Fotografie und Bildpoem, zwischen Gemälde und Gedicht, zwischen Bildteppichen und Sprachbildern. Und zwischen Schönheit und Schock. Sabine Scho, 1970 im westfälischen Ochtrup geboren, ist eine kompromisslose, manchmal extremistische „Bildwandlerin“. Seit je bewegt sich die Autorin im Grenzbereich von Dichtung, Fotografie und Bildender Kunst, kulturgehorsame Überlegungen zum bloß „Lyrischen“ sind ihr fremd. Von der brasilianischen Metropole São Paulo aus, wo sie seit 2005 lebt, meldet sie sich mitunter im Autoren-Portal www.forum-der-13.de mit blitzenden Polemiken zum denkfaulen Lyrik-Betrieb.Das Sujet, das Sabine Scho in die junge Gegenwartslyrik eingeführt hat, ist seit der Epoche des Barock kaum mehr ernsthaft verfolgt worden: Es ist das Bild-Gedicht, ein auf Fotografien oder Gemälde artistisch reagierendes Sprachkunstwerk, das mit schroff gefügten Sprach-Sequenzen und turbulent komponierten Wort-Assoziationen auf die szenischen Vorgaben des jeweiligen Bildes reagiert. In ihrem 2001 veröffentlichten Debütbuch „Album“ durchstreifte sie in der Auseinandersetzung mit anonymen Fotografien die Mentalitätsgeschichte des vom Wirtschaftswunder kontaminierten Adenauer-Deutschland der 50er-Jahre. Hier blättert sie das Familienalbum deutscher Geschichte auf und durchquert als poetische Ethnografin das geschichtslose Deutschland des Wirtschaftswunders. In der Entzifferung von Fotografien und Kommunikations-Routinen entdeckt sie im „Album“ den „Direktor der Hindenburgschule“ mitsamt seinen ideologischen Altlasten und latenten Sexismen. Hier untersucht sie auch die Wohlstandstrophäen der Kleinbürger der Adenauerzeit („190er Mercedes 1959“), hier zerlegt sie die kleinen Fetischismen auf einem „Richtfest für den Sortiermaschinen-Anbau“. Das Gedicht „Mein Zimmer“ assoziiert die körperliche Ausbeutung der Edelprostituierten Nitribitt bis zum mörderischen Ende. Von den „prallen Möpsen“ über das vorzeigbare Modepüppchen bis zum Heimchen am Herd werden alle Spielarten diskriminierender weiblicher Rollenbilder im „Album“ grell beleuchtet. Es geht Sabine Scho dabei nicht um lyrische Evokation, sondern um die Genauigkeit des „sachlichen Schilderns“: Lyrik ist hier nicht mehr ein Reservat von Affekten, sondern ein alltagshistorisches Archiv. So komponiert Sabine Scho „Geschichtsbilder“, indem sie den historischen Bildgrund der Fotografien assoziativ erkundet und dabei mehrere mythologische und semantische Schichtungen in den Texten übereinander legt. Zwei ihrer jüngsten Projekte sind erneut Grenzgänge: Zwischen Kulturgeschichte, Zoo-Fotografie und Dichtung angesiedelt ist das Text-Bild-Projekt „Tiere in Architektur“. Dieses (noch unveröffentlichte) Projekt geht von der Prämisse aus, dass der Umgang mit Tieren und ihre Verwahrung in Käfigen als „Archetypen von Gesellschaftsgeschichte“ gelesen werden können. Zur poetischen Bildvorlage werden dabei nicht nur Fotografien verlassener Zoos, sondern auch Darstellungen von Bildteppichen. Im Oktober erscheint nun Sabine Schos zweiter Gedichtband „farben“. Zu einigen Proben aus diesem Buch schreibt die österreichische Avantgardistin Liesl Ujvary: „Hier herrscht Krieg, Zartheit, Verlockung, Schärfe. Gemessen an den Ansprüchen, die wir an unsere Lebenswirklichkeit zu stellen gewohnt sind, ist die Realität dieser Gedichte rücksichtslos, unangemessen, wahr. Es sind kompromisslose poetische Lehrstücke, ganz up to date und total lebendig.“ (M. B.) Auszeichnungen u. a.: GWK Förderpreis Literatur (2000), Ernst-Meister-Förderpreis, Literaturförderpreis des Landes NRW, Leonce-und-Lena-Preis (2001), Villa Aurora-Stipendium Los Angeles (2003), Stipendium Künstlerhaus Edenkoben (2009). Veröffentlichungen (Auswahl): – „Album. Thomas Kling entdeckt Sabine Scho“, Gedichte, Europa, Hamburg/Wien 2001, Neuausgabe: „Album“, Gedichte, KOOKbooks, Idstein/Berlin 2008 – „farben“, Gedichte, KOOKbooks, Idstein/Berlin, Oktober 2008 Sonntag, 31.8., 14.30 Uhr, Schlossgarten |
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