Markus Orths Was Lynn, die Hauptfigur in Markus Orths neuem Roman „Das Zimmermädchen“ gerne tut? Radieschen schälen. Noch lieber: putzen. Soeben aus einer psychiatrischen Klinik entlassen, beginnt sie, sich die Daumennägel wachsen zu lassen – damit sich festklebender Schmutz an den Armaturen im Badezimmer besser abkratzen lässt. Lynn hat einen Job gefunden. Sie ist Zimmermädchen in einem Hotel.Dieses tägliche Abkratzen, Aufräumen, Zurechtrücken, Putzen, Wischen, Glattstreichen, Überziehen, Lüften, Leeren, Schokolädchen aufs Kopfkissen legen und dergleichen mehr befriedet sie nicht nur – derlei Tätigkeiten erregen sie, bringen sie wenigstens für die Dauer der Tätigkeiten zu sich. Selten hat es in der Literatur einen derartigen Putzfimmel gegeben wie in diesem Roman. Ein einziges Tasten und Kramen, Schnuppern und Schnüffeln. Und dann passiert, was einmal passieren musste. Während Lynn wieder einmal so im Zimmer herum macht, dieses Mal die Pyjamajacke des Gastes über die Putzuniform gezogen, hört sie jemanden draußen vor der Tür. Knisternde Spannung. Das bizarre Kammerspiel nimmt seinen Lauf ... Markus Orths, 1969 in Viersen geboren, heute in Karlsruhe lebend, weiß, wie man es schafft, die Spannung auf den Leser zu übertragen. Ja, er macht ihn nicht nur zum Zeugen, sondern zum Kompagnon des heimlichen Geschehens. Hier nur so viel: Das Zimmermädchen bleibt bis zum nächsten Morgen unterm Bett, die Hände fest am Lattenrost. Und es kommt, an anderen Tagen, noch toller. Immerhin erscheint eines Tages ein Callgirl mit speziellen Methoden oben auf der Matratze eines Hotelgasts. Markus Orths studierte Philosophie, Romanistik und Englisch. Er arbeitete als Englischlehrer, bevor er beschloss, sich ganz auf das Schreiben zu konzentrieren. „Das Zimmermädchen“, Ausdruck des Interesses des Autors an psychologischen Themen, ein intensives Porträt einer eigenwilligen, obsessiven jungen Frau, ist nach „Corpus“ (2002), „Lehrerzimmer“ (2003) und „Catalina“ Markus Orths’ vierter Roman. Man wird an das Zimmermädchen denken, bei der nächsten Buchung eines Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels. Auch wenn die Enttäuschung groß ist, dass man wieder nicht ein Bett des Formats vorfindet, unter dem sich eine Kollegin Lynns hätte verstecken können – heutige Hotelbetten stehen einfach auf zu niedrigen Füßen. Die Erzählkunst des Autors ist dagegen nicht hoch genug einzuschätzen. Bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt erhielt er vor wenigen Wochen den Telekom Austria-Preis für ein Kapitel seines neuen Romans. (H. St.) Auszeichnungen u. a.: open mike-Literaturpreis, Moerser Literaturpreis (2000), Aufenthaltsstipendium im LCB, Literaturstipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg, Förderpreis des Marburger Literaturpreises (2002), Limburg-Preis Bad Dürkheim, Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen (2003), Heinrich-Heine-Stipendium, Telekom-Austria-Preis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs (2008). Veröffentlichungen (Auswahl): – „Schreibsand“, Erzählungen, ed. sisyphos, Köln 1999 – „Wer geht wo hinterm Sarg?“, Erzählungen, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2001 – „Corpus“, Roman, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2002 – „Lehrerzimmer“, Roman, Schöffling & Co., Frankfurt a.M. 2003, TB dtv, München 2004 – „Catalina“, Roman, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2005, TB Goldmann, München 2006 – „Fluchtversuche“, Erzählungen, Schöffling & Co., Frankfurt a.M. 2006 – „Das Zimmermädchen“, Roman, Schöffling & Co., Frankfurt a. M. 2008 Sonntag, 31.8., 13.30 Uhr, Schlossgarten |
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