Ingo Schulze Verändert sich die Liebe? Liebt man in einem neuen Land anders als zuvor? Diese Fragen stellt sich Ingo Schulze in seinem jüngsten Roman „Adam und Evelyn“ und vermischt auf das Vergnüglichste die biblischen Motive des ersten Menschenpaares und die Urfragen nach der Verführungskraft der Erkenntnis mit der Lage im Sommer 1989, als in Ungarn die Grenzen geöffnet wurden und plötzlich der Westen ganz nahe rückte. Adam ist ein Frauenheld, weshalb Evelyn ohne ihn die Reise gen Ungarn antritt, was Adam natürlich nicht auf sich sitzen lassen kann. Die Untiefen der Liebe hatten die Figuren bereits in Schulzes Erzählungsband „Handy“ von 2007 in Atem gehalten. Ein falscher Blick kann ungeahnte Folgen haben, und das paradiesische Idyll der Zweierbeziehung ist beständig bedroht. Während uns der 1962 in Dresden geborene Schriftsteller derzeit jährlich mit neuen Büchern versorgt, war seine Lesergemeinde zuvor sieben Jahre lang auf die Folter gespannt worden – so lange hatten wir auf einen neuen Roman des international erfolgreichen Verfassers von „33 Augenblicke des Glücks“ und „Simple Storys“ warten müssen. 2006 war dann endlich sein 800-seitiger Briefroman mit dem Titel „Neue Leben“ erschienen – ein breit angelegtes Panorama des Jahres 1989 mit seinen Folgen. Als Absender trat ein gewisser Enrico Türmer in Erscheinung, und seine Korrespondenz, die zwischen Januar und Juli 1990 entstanden war und mit Fußnoten kommentiert wird, richtete sich an drei verschiedene Adressaten. Schulerfahrungen, zerbrochene Freundschaften und gescheiterte schriftstellerische Ambitionen sind ebenso Gegenstand der Briefe wie die Leipziger Montagsdemonstrationen und erste Erfahrungen in der Wendezeit. „Aber man muss jetzt das Mittelmeer sehen“, schreibt Enrico Türmer an seine Freundin Nicoletta und bringt damit die ostdeutsche Sehnsucht nach dem Süden auf den Punkt. In „33 Augenblicke des Glücks“ von 1995 hatte Ingo Schulze zum ersten Mal eindringlich vorgeführt, was es mit den bis dahin unbekannten Sphären des Ostens auf sich hatte. In phantastischen Prosaschüben verbanden sich Leningrad und Petersburg, das Archaische und die Postmoderne. „Simple Storys“ (1998) nahm mit schonungsloser Genauigkeit die Veränderungen in den so genannten Neuen Bundesländern in den Blick. Die sächsische Stadt Altenburg wurde zum Kaleidoskop einer neuen Welt ohne Traditionen, in der nichts als die unmittelbare Gegenwart herrschte. Mit seinen „short cuts“, den harten Schnitten, knappen Sätzen und dem Verzicht auf Schilderungen des Innenlebens seiner Figuren führte Ingo Schulze Erzähltraditionen US-amerikanischer Schriftsteller fort. Und jetzt ist Ingo Schulze bei Adam und Eva angekommen. (M. A.)Auszeichnungen u. a.: Alfred-Döblin-Förderpreis, Ernst-Willner-Preis, aspekte-Literaturpreis (1995), Berliner Literaturpreis mit Johannes-Bobrowski-Medaille (1998), Joseph-Breitbach-Preis (2001), Peter-Weiss-Preis (2006), Villa Massimo-Stipendium, Preis der Leipziger Buchmesse (2007). Mitglied der Akademie der Künste Berlin, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Sächsischen Akademie der Künste. Veröffentlichungen (Auswahl): – „33 Augenblicke des Glücks. Aus den abenteuerlichen Aufzeichnungen der Deutschen in Piter“, Roman, Berlin Verlag, 1995, TB dtv, München 1997 und Berlin Verlag, 2003 – „Simple Storys. Ein Roman aus der ostdeutschen Provinz“, Roman, Berlin Verlag, 1998, TB dtv, München 1999 – „Neue Leben. Die Jugend Enrico Türmers in Briefen und Prosa“, Berlin Verlag, 2005, TB dtv, München 2007 – „Handy. Dreizehn Geschichten in alter Manier“, Berlin Verlag, 2007 – „Eine, zwei, noch eine Geschichte/n“, zus. mit Péter Esterházy und Imre Kertész, Berlin Verlag, 2008 – „Tausend Geschichten sind nicht genug. Leipziger Poetikvorlesung 2007“, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2008 – „Der Herr Augustin“, Illustr. von Julia Penndorf, Bloomsbury/Berlin Verlag, August 2008 – „Adam und Evelyn“, Roman, Berlin Verlag, August 2008 Samstag, 30.8., 14 Uhr, Orangerie und 19 Uhr, Schlossgarten |
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