María Cecilia Barbetta

Das kommt selten vor. Eine 1972 in Buenos Aires geborene Argentinierin fährt als Stipendiatin nach Berlin, beschließt, weil sie die deutsche Sprache liebt, in Berlin zu bleiben und schreibt einen ersten Roman in deutscher Sprache. Die „Änderungsschneiderei Los Milagros“ ist ein (auch sprachlich) raffiniertes Debüt. Erzählt wird die Liebesgeschichte von Analia, die in die Änderungsschneiderei „Los Milagros“ kommt, um das Brautkleid ihrer Mutter für ihre Hochzeit umarbeiten zu lassen. Mariana, die junge Schneiderin, befühlt den Stoff, sehnt sich danach, auch so ein Kleid tragen zu können und verliebt sich in Gerardo. Nun erzählt María Cecilia Barbetta keine einfache Lovestory aus einem fernen Land, sondern eine Geschichte der Dinge, Blicke, Geräusche. Der Leser wird im radikalen Präsens durch die Schneiderei, die Straßen von Buenos Aires, durch die Mythen geführt, die an den Gegenständen hängen. Zum Garn gehören Raupe und Schmetterling, zur Tochter die Mutter, zum Mann Spielautomaten und Comics, zur Liebe das Glück und die Enttäuschung, zur Enttäuschung das Misstrauen, zum Misstrauen der Gang zur Wahrsagerin, die ihre Tarock-Karten aufschlägt. Und am Ende wird das Rätsel gelöst.
María Cecilia Barbetta erzählt die Geschichte aus romantischer Zeit (Hochzeitskleid, Schneiderin) und fügt die neue Zeit selbstironisch ein (Werbung und Comic-Figuren). Alle Mythen der Gegenwart schwingen mit, die alte und die neue Zeit, die wohlerzogene und die Slangsprache stoßen aufeinander. Die „Änderungsschneiderei Los Milagros“ ist als Reise durch die Bild- und Produktwelt geschrieben, weil sie das Leben der Menschen genauso wie ihre Phantasien bestimmt. Ist es ein großer Comic, eine surreale Geschichte? María Cecilia Barbettas Roman ist eine Entdeckung und ein großer Spaß. Der große Surrealist Max Ernst, der ja auch geniale Collagen gemacht hat, könnte Pate gestanden haben. Entstanden ist ein Buch über das Mysteriöse an der Wirklichkeit von seltener druckgrafischer Qualität und Originalität: Mit vielen Illustrationen, die soll man ausschneiden und dann? Wer wagt, gewinnt. (V. A.)
Auszeichnungen u. a.: Arbeitsstipendium für Schriftstellerinnen und Schriftsteller des Berliner Senats (2006), Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste Berlin (2007), Stipendium im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung (2008), Stipendium im Künstlerdorf Schöppingen (2008/09).

Veröffentlichung:
– „Änderungsschneiderei Los Milagros“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M., Juli 2008


Samstag, 30.8., 14 Uhr, Orangerie und Sonntag, 31.8., 16 Uhr, Schlossgarten und 17.30 Uhr, Orangerie