Mainat Kourbanova – Augenzeugin aus Tschetschenien
Lesung und Gespräch mit Wilfried F. Schoeller

Die tschetschenische Journalistin Mainat Kourbanova, 1974 geboren, lebte mit ihrem Kind in Grosny und berichtete seit 1991 für verschiedene russische Massenmedien, unter anderem für die regimekritische „Novaja Gaseta“, eine der letzten unabhängigen und unerschrockenen Tageszeitungen Russlands, sowie für Radio Liberty. Sie reportierte die Ereignisse der beiden Tschetschenien-Kriege, schrieb über die unrühmlichen Taten der Militärs, über die Gewalt im Lande, sammelte viele Dokumente über die tatsächliche Lage in der Tschetschenischen Republik. Durch die Zusammenarbeit mit der Informationsagentur „Franspress“ wurden ihre Artikel unter dem Namen Mainat Abdulajewa in deutschen Zeitungen wie „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und „Süddeutsche Zeitung“ gedruckt.
Sie wurde von Maskierten in Grosny mit dem Tode bedroht und floh mit ihrem Kind zu Freunden in Moskau, wo sie untertauchte. Durch Vermittlung einiger Freunde kam sie in das Programm „writers in exile“ des deutschen P.E.N.-Zentrums nach Berlin. Dieses Stipendienprogramm ist dafür eingerichtet, einem halben Dutzend bedrohter und verfolgter Schriftsteller eine Rückzugsmöglichkeit, einen Platz zum ungefährdeten Schreiben und einen Ruhepunkt zur Erholung von den erlebten Traumata zu bieten.
Mainat Kourbanova gehört als Tschetschenin einem Volk an, das seit 400 Jahren seine Freiheit sucht und das unter Stalin zu großen Teilen deportiert wurde. Sie ist eine ganz und gar unfanatische Augenzeugin des Geschehens im Kaukasus. Sie war mit Anna Politkowskaja befreundet, die als Russin aus Tschetschenien berichtete und ihren journalistischen Mut und ihre Geradlinigkeit mit dem Leben bezahlen musste.
Das Manuskript, an dem Mainat Kourbanova arbeitet und aus dem sie vorlesen wird, ergibt eine Art Totenbuch: wer von ihren Bekannten und was alles an Freiheit und Kultur zu Grabe getragen wurde in diesem vom Westen vergessenen Krieg.
Wilfried F. Schoeller

Sonntag, 26. August, 17 Uhr, Orangerie im Schlossgarten