Ulrich Peltzer

Zeitgeschichtliche Übergänge und Brüche stehen immer wieder im Mittelpunkt der Bücher von Ulrich Peltzer, der 1956 in Krefeld geboren wurde. Bereits sein großer Roman „Stefan Martinez“ (1995) ist von einem unwiederbringlich verloren gegangenen Berlin-Gefühl durchdrungen – eine Bildungsgeschichte aus Wahrnehmungsfragmenten und Filmaufnahmen, Ineinanderblendungen von Schöneberg, Kreuzberg und der niederrheinischen Provinz, ein Mosaik aus Biografiefetzen und Gegenwartssplittern, in denen Imbissbuden, Kneipen, ein Konzert der „Cramps“ im Metropol vorkommen. In „Alle oder keiner“ (1999) verdichtet Peltzer seine vielschichtige Erzählweise. Die Hauptfigur Bernhard, Psychologie-Assistent an der Freien Universität in Berlin, muss mit dem Widerspruch zwischen den Utopien der 70er-Jahre und seinem langsam starrer werdenden Alltag zurechtkommen. „Es würde noch etwas geschehen“, heißt es gleich zu Beginn des Romans, und am Ende erreicht Bernhard einen neuen Schwebezustand, der ihn näher an seine alten Ideen heranrücken lässt. Ein typischer Peltzer-Held steht auch in der Erzählung „Bryant Park“ (2002) im Mittelpunkt: Ein bindungsloser Akademiker um die vierzig mit Kreuzberger Hintergrund lässt sich durch New York treiben. Wahrnehmungsschübe verdichten sich zu Tableaus: Straßenzüge, Ladeninschriften, Kneipeninterieurs, Recherchen in der „Public Library“ am Bryant Park, Spaziergänge durch die fremde Stadt. Durchbrochen wird das Ganze durch blitzlichtartig auftauchende Szenen aus der Vergangenheit. Dann geben die Ereignisse des 11. September 2001 der Geschichte eine Wende ... Ästhetisch und inhaltlich spannungsreich gestaltet sich auch der jüngste Roman von Ulrich Peltzer, „Teil der Lösung“ (2007). Wieder bilden die 70er-Jahre den Echoraum der äußerst gegenwartsbezogenen Geschichte, und wieder stammt der Protagonist aus dem akademischen Subproletariat, das in Berlin ganze Stadtviertel besiedelt. Christian schlägt sich als freier Journalist mit Gelegenheitsaufträgen durch, sucht unter den ehemaligen Weggefährten der Roten Brigaden nach der ultimativen Story und läuft in einem Berliner Club der Studentin Nele über den Weg. Was wie eine unverbindliche Sommerbekanntschaft beginnt, wird zu einer aufregenden Geschichte von Anziehung und Abstoßung, grundiert durch die Recherche über den Terrorismus der 70er-Jahre mit Stationen in Berlin, Italien, Paris. Wieder zeigt Ulrich Peltzer, wie Bewusstsein und Zeitgenossenschaft literarisch zu fassen sind. (M. A.)
Auszeichnungen u.a.: Berliner Literaturpreis (1996), Anna-Seghers-Preis (1997), Preis der SWR-Bestenliste (1999), Niederrheinischer Literaturpreis (2001), Bremer Literaturpreis (2003), Writer in Residence an der New York University (2006).

Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Die Sünden der Faulheit“, Roman, Ammann, Zürich 1987, TB dtv, München 1991 – „Stefan Martinez“, Roman, Ammann, Zürich 1995, TB dtv, München 2000 – „Alle oder keiner“, Roman, Ammann, Zürich 1999, TB Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2002 – „Bryant Park“, Erzählung, Ammann, Zürich 2002, TB Berliner TB Verlag 2004 – „Teil der Lösung“, Roman, Ammann, Zürich, August 2007

Samstag, 25. August, 18 Uhr, Schlossgarten