Clemens Meyer

Packend, ruppig, brutal – so kommt Clemens Meyers aufregendes Debüt „Als wir träumten“ daher. Über keinen Erstling wurde im vergangenen Frühjahr mehr diskutiert. Die rasante Mischung aus Actionthriller und Entwicklungsroman, aus Gossen-Epos und Milieustudie entzog sich den üblichen Kategorisierungen. Vielleicht ist es einfach nur ein guter Roman? Wir landen im Leipzig der Wende, mit Rückblenden in die Zeit vor 1989. Rico, Mark, Stefan, Paul und Danie kennen die Straße und wissen, was da los ist. Da treiben sich Faschos, Zecken, Punker und Glatzen rum, da gibt es den „Tschechenstrich“, einen kleinen Platz, auf den sich die Mädels hinstellen, die sonst keinen abgekriegt haben und trotzdem ein bisschen Spaß haben wollen, da werden Autos geklaut und gegen die Wand gesetzt, Väter zusammengeschlagen und da wird gesoffen. Der Ich-Erzähler Danie pendelt zwischen Kindheitserinnerungen und Episoden aus seiner Jugend hin und her und versucht zu rekonstruieren, wie er und seine Freunde aus der mehr oder minder kontrollierten DDR-Realität im harten, drogendurchseuchten Alltag des verwestlichten Ostens landeten und was sich dadurch veränderte. Am Ende kommt nur Danie durch, die anderen bleiben alle auf der Strecke: „Es gibt keine Nacht, in der ich nicht von alldem träumte … und ich quäle mich mit der Frage, warum das alles so gekommen ist. Sicher, wir hatten eine Menge Spaß damals, und doch war bei dem, was wir taten, eine Verlorenheit in uns, die ich schwer erklären kann“. Von so einer Welt war in der deutschen Gegenwartsliteratur schon lange nicht mehr die Rede, und Meyers kaputte Typen entwickeln bei aller Armseligkeit liebenswerte Seiten. Seine Ost-Saga ist bei aller Authentizität ästhetisch überformt und durchgearbeitet. 1977 in Halle an der Saale geboren, kennt Meyer das Umfeld seines Romans aus eigener Erfahrung. Vor seinen Freunden verbarg er die schriftstellerischen Ambitionen, sie wussten nur, dass er viel las. Nach dem Abitur schlug sich der Autor als Bauhelfer, Möbelträger und Wachmann durch, organisierte eine Weile lang eine illegale Technodisko und studierte später am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Ein bisschen erinnert „Als wir träumten“ an „Ragazzi di vita“ von Pasolini, ein bisschen an Stuart O’Nans „Speed Queen“ oder an den Film „Trainspotting“. Clemens Meyer hat von allem etwas – und macht zugleich etwas ganz eigenes. „Als wir träumten“ ist ein schöner, hässlicher Rausch. Der Absturz ist unvermeidlich. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Preis des MDR-Literaturwettbewerbs (2001 und 2003), Literaturstipendium des Sächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst (2002).

Veröffentlichung: – „Als wir träumten“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2006


Sa, 26.8., 17 Uhr, Schlossgarten