Tobias Hülswitt

Nicht jeder, der unter dreißig ist, muss ein Pop-Autor sein. Tobias Hülswitt bekam, als sein erster Roman „Saga“ 2000 erschien, dieses „Markenzeichen“. Er wurde 1973 in Hannover geboren, wollte Steinmetz werden, wechselte an das Deutsche Literaturinstitut Leipzig und erzählte in „Saga“, wie es dem jungen Provinzler Tobi und seinen Freunden ergeht, die nach dem Abitur in die Fremde ziehen. Ein Querschnitt durch jugendliches Liebesglück und Leid, durch Drogenerfahrung und Melancholie. Im 2004 veröffentlichten Band „Ich kann dir eine Wunde schminken“ machte Tobias Hülswitt die Fernsehwelt mit ihren Shows und Comedys zum Thema. Weil Hülswitt im wirklichen Leben Drehbücher schreibt, kennt er sich in dieser Szene aus. Mit „Der kleine Herr Mister“, seinem neuen Roman, stößt Tobias Hülswitt in den Raum vor, den früher der liebe Gott und eine Kreatur für sich in Anspruch nahmen, der Goethe den Namen Mephisto gab. „Der kleine Herr Mister“ ist ein verkapptes Teufelchen, das in klassischer Manier dem Ich-Erzähler das Glück verspricht. Seine Bedingung ist bekannt: unbedingter Gehorsam. Aber wer gehorcht heute einem kleinen Mister, der durch Träume kurvt, Versprechungen macht und Bedingungen stellt. Das Glück kommt, die Ausstellung des jungen Künstlers, der immer sich selbst und seine Freundin Johanna malt, Bilder, die bis zu dieser Ausstellung niemand haben wollte, wird ein großer Erfolg. Aber der Erfolg freut ihn nicht, er glaubt weder an sich noch an sein Talent, er weiß, seine Kunst ist eine Masche, vom Markt und für den Markt gemacht. Er verschließt seine Farbtuben, verstaut Paletten und Leinwände und sucht. Auf dieser Suche kommt ihm Johanna abhanden, sie verliert sich im All der Meditation in weitab gelegenen Klöstern. Der junge Ex-Künstler taumelt ratlos durch die Stadt, trifft auf eine wilde Musikerin, die ihn mit Drogen voll pumpt, und der junge Mann gerät in eine Welt, über die er staunt und die ihm nicht bekommt. Er, der immer grünen Tee aus einer Islandtasse getrunken hat, kommt in ein wüstes Milieu voller Gewalt und weißem Pulver. Der Ex-Künstler trifft sich noch einmal mit einem Kunstsammler und Hülswitt hat großen Spaß an der Satire, lässt Künstler und Sammler in einem Lokal ohne Licht zusammentreffen. Blinde bedienen und die „Sehenden“ erleben, was es bedeutet, nichts zu sehen. Der Ex-Künstler lässt sich treiben, torkelt durch die Tage, wundert sich über die fatale Wirkung von Drogen, versucht Johanna wiederzufinden, wird überfallen und verletzt, rettet einen Hund, liegt auf dem Sofa, döst und guckt in die Luft. Er findet Johanna, aber Johanna gehört nicht mehr zu ihm. „Der kleine Herr Mister“ ist ein komischer und ernster Roman über die Schwierigkeit, den Sinn des Lebens oder, wenn nicht den Sinn, so doch eine eigene Glaubwürdigkeit zu finden. Erzählt ist der Roman, der vor den Moden und den Lebensstilen, vorm Künstlertum bis zum Meditationsasketen warnt, in rasantem Tempo mit viel Jargon, Frechheit und Verletzlichkeit. Ein Buch über die Fallen und falschen Hoffnungen der Gegenwart. Ein Roman über die fatalen Gefahren bei der Suche nach dem „richtigen“ Weg. (V. A.)
Auszeichnungen u. a.: Martha-Saalfeld-Förderpreis des Landes Rheinland-Pfalz, Preisträger des Open-Mike-Wettbewerbs der literaturWERKstatt Berlin (1998).

Veröffentlichungen (Auswahl): – „So ist das Leben“, Lyrik-Erzählung, Neumann, Mainz 1997 – „Saga“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000 – „Ich kann dir eine Wunde schminken“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2004 – „Der kleine Herr Mister“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006 – „Bernhard Bonsai geht sich rächen“, zus. mit Glummie Riday, Leiv, Leipzig, September 2006


Sa, 26.8., 14.30 Uhr, Schlossgarten